Privatisierung staatlicher Aktivitäten

"Die Begeisterung ist vorbei"

FTD-Interview: Der Jurist Andreas Musil ist Professor für öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungs- und Steuerrecht, an der Universität Potsdam.

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FTD Ist der Trend zur Privatisierung staatlicher Aktivitäten schon wieder vorüber?

Andreas Musil Die große Begeisterung ist jedenfalls vorbei. Es ist schwer, in die Zukunft zu blicken. Man hat mittlerweile eingesehen, dass Privatisierung ein Mittel zur Entlastung öffentlicher Haushalte sein kann. Aber es setzt sich mehr und mehr die Einsicht durch, dass eben nicht alle Bereiche dafür geeignet sind.

FTD Welche Staatsaktivitäten eignen sich nicht?

Musil Der Strafvollzug ist zum Beispiel völlig ungeeignet. Das wird auch in den Bundesländern mehr und mehr so gesehen. Immer wenn unmittelbare Sicherheitsinteressen berührt sind, ist Privatisierung nicht angezeigt. Ein weiteres Beispiel ist der Aufgabenbereich der Bundeswehr. Außerdem eignen sich Bereiche nicht, in denen Marktversagen eintritt, wenn sich der Staat zurückzieht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sich das Erbringen einer Dienstleistung in der Fläche für Private nicht gewinnbringend organisieren lässt.

FTD Wo sind noch weitere Privatisierungen in den nächsten Jahren zu erwarten?

Musil Vor allem im Gesundheitssektor: Kommunen und Universitäten werden in Zukunft weiter versuchen, ihre Krankenhäuser und Kliniken an Private zu veräußern oder zumindest mit diesen zu kooperieren. Viele öffentliche Träger können den stetig wachsenden Kostendruck nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen. Auch die Privatisierung kommunaler Ver- und Entsorgungsbetriebe wie Stadtwerke und Müllabfuhr wird weitergehen - wenn auch langsamer als in der Vergangenheit.

FTD Was lehrt der Blick in andere Länder?

Musil Ich bin immer wieder vom schlechten Beispiel der britischen Eisenbahn beeindruckt. Inzwischen hat sich ja auch hierzulande durchgesetzt, dass eine Vollprivatisierung nicht sinnvoll ist. Der politische Widerstand gegen die Privatisierung der Deutschen Bahn wächst. Friederike von Tiesenhausen

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Aus der FTD vom 11.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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