Angst vor Pleite

Lehman macht Analysten sprachlos

von Joachim Dreykluft (Hamburg)

Die Wall Street wird in Sachen Lehman Brothers immer nervöser, die Aktie verlor zeitweise erneut mehr als 40 Prozent. Auch die Anleihen wechseln inzwischen zu Dumpingpreisen den Besitzer. Vor allem Analystenstimmen setzten der Aktie zu. Ein sehr ungewöhnliches Urteil kam vom Rivalen Merrill Lynch.

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Die Aktie der angeschlagenen US-Investmentbank Lehman Brothers hat an der Wall Street erneut massiv verloren. Das Papier notierte unter großen Schwankungen zwischen 4 $ und 5 $. Das entspricht nur noch einer Marktkapitalisierung zum Glossar... von rund 3 Mrd. $. Der Mittwochs-Schlusskurs hatte noch 7,25 $ betragen.

Auch Lehman-Anleihen gerieten massiv unter Druck. Ein 6,625-Prozent-Papier mit Laufzeit bis 2012 fiel auf 85 Cent zum Dollar. Die Rendite entspricht einem Aufschlag von 9,36 Prozentpunkten zu US-Bundesanleihen. Ab einem Renditeaufschlag von zehn Prozent gehen Anleiheexperten laut einer Faustformel von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls aus.

Anleger befürchten ein ähnliches Desaster wie bei Bear Stearns. Die Investmentbank war nur durch eine Intervention der US-Notenbank und den Aufkauf durch JP Morgan vor einer Pleite gerettet worden. Bereits am Dienstag war die Lehman-Aktie um 45 Prozent eingebrochen. Am Mittwoch hatte das Geldhaus dann die Veröffentlichung der Quartalszahlen vorgezogen. Der Verlust beträgt demnach 3,9 Mrd. $. Die Ankündigung des Verkaufs von Sparten hatte die Aktie zeitweise steigen lassen. Am Ende notierte sie dennoch 6,9 Prozent schwächer.

Äußerer Anlass für den aktuellen Kurssturz waren Analystenstimmen. Merrill-Lynch-Experte Guy Moszkowski verweigerte ein Anlageurteil: "No Opinion", laut seine Einschätzung nach zuvor "Neutral". William Tanona von Goldman Sachs meint, das am Mittwoch vorgestellte Restrukturierungsprogramm reiche angesichts des Notwendigen nicht aus, um der Aktie den Abgabedruck zu nehmen.

Mike Mayo von der Deutschen Bank schreibt: "Liquiditätsprobleme und Abschreibungen schienen aus unserer Sicht beherrschbar. Aber der Wechsel in der Sicht der Ratingagenturen könnte zu Notverkäufen (von Vermögensgegenständen) führen." Er stufte die Aktie von "Kaufen" auf "Halten" herab und senkte das Kursziel von 28 $ auf 11 $.

Lehman ist von der Finanzkrise noch stärker betroffen als rivalisierende Institute, weil die Investmentbank im vergangenen Jahr der größte Zeichner von Hypothekenpapieren war. Der Broker sucht seit Wochen nach Investoren, um riskante Anteile aus den Büchern zu bekommen und sich so zu sanieren. Geplant ist der Verkauf von 55 Prozent der Anteile der Vermögensverwaltungssparte. Am Dienstag war der geplante 25-Prozent-Einstieg der Korea Development Bank geplatzt, nachdem die Finanzaufsicht des Landes zuvor davor gewarnt hatte.

"Das ist für uns eine der schwierigsten Perioden in der Geschichte. Die Initiativen, die wir heute angekündigt haben, spiegeln unsere Entschlossenheit wider, das Risiko in unserer Bilanz zu reduzieren", sagte Lehman-Chef Richard Fuld am Mittwoch in einer Stellungnahme.

Die Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch kündigten am Dienstag an, eine Herabstufung der Bonitätsnote von Lehman Brothers zu prüfen. Sollte das tatsächlich passieren, würde die Investmentbank ihren Handelspartnern auf einen Schlag mehr Sicherheiten zur Verfügung stellen müssen.

Kursinformationen

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FTD.de, 11.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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