Radioaktivität und radioaktive Strahlung

Radioaktive Strahlung sieht und hört man nicht. Und doch ist sie da. Tag und Nacht. Ohne sie wäre unser Planet eine eiskalte, unbelebte Einöde. Aber sie kann auch gefährlich sein. Radioaktivität gehört zu den faszinierendsten Erscheinungen in unserem Universum.


«All Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.» – dies ist die treffende Erkenntnis von Paracelsus Anfang des 16. Jahrhunderts. In heutiges Deutsch übersetzt bedeutet sie etwa: Jede Substanz vermag der Gesundheit zu schaden – alles ist eine Frage der Dosis. In der richtigen Dosis dagegen können viele Substanzen Krankheiten heilen.
Nichts beschreibt Radioaktivität besser als die Aussage von Paracelsus. Radioaktivität kann schaden. In der richtigen Dosis und richtig angewandt kann Radioaktivität aber sogar heilen und helfen: Bei Gebärmutterhalskrebs beispielsweise wird radioaktives Cäsium in den Uterus eingesetzt. Dort tötet es die bösartigen Krebszellen. Auch bei der Entwicklung neuer Medikamente nutzt man das Phänomen Radioaktivität. Der neue Wirkstoff wird radioaktiv markiert und kann auf seinem Weg durch den Körper und die Organe verfolgt werden. Und wenn Medizinalgeräte grossindustriell sterilisiert werden, kommt Radioaktivität zum Einsatz.
Radioaktivität ist noch mehr: Sie ist etwas Uraltes, ein Erbe aus der Zeit, als das Universum entstanden ist. Unsere Erdwärme ist das Produkt von radioaktiven Umwandlungen. Ohne sie wäre unser Planet eisig kalt und unbewohnt.  


Radioaktivität einfach erklärt
Radioaktivität beschreibt einen alltäglichen Vorgang, der in der Natur dauernd geschieht, nämlich wie sich ein Atom von selbst in ein anderes Atom umwandelt.
 
Damit sich ein Atom radioaktiv umwandeln kann, muss eine Voraussetzung erfüllt sein: Das Atom muss instabil sein. Nur instabile Atome wandeln sich um – sie alle wollen stabil werden. Manchmal braucht es dazu nur einen Umwandlungsschritt, manchmal auch mehrere. Stabile Atome dagegen verändern sich nicht mehr. Sie bleiben so, wie sie sind. Von den 115 heute bekannten chemischen Elementen kennt man über 2700 Atomvarianten (Isotope). Davon sind gerade einmal 249 stabil. Die restlichen Isotope sind instabil und damit radioaktiv.
 
Bei der Umwandlung entstehen in der Regel zwei neue Atome. Sie unterscheiden sich vom Ursprungsatom: Sie haben andere Eigenschaften und verhalten sich anders. Bei der Umwandlung oder dem Zerfall entsteht ein neuer Stoff.
 
Bei der Umwandlung geschieht noch etwas: Verschiedene Arten von Atomteilchen (entweder grössere Heliumkerne, elektrisch geladene oder elektrisch neutrale Teilchen) werden aus dem Atomkern herausgeschleudert. Dabei kann auch eine sehr schnelle Art von Lichtenergie entstehen. Die herausgeschleuderten Atomteilchen und das energiereiche Licht, sie bilden allein oder gemeinsam die radioaktive Strahlung. Radioaktivität ist also die Fähigkeit eines Atoms, sich in ein anderes umzuwandeln. Radioaktive Strahlung dagegen ist die Energie, die im Augenblick der Umwandlung frei wird. 

In der Karlsruher Nuklidkarte werden sämtliche radioaktiven Atomvarianten (Isotope), ihre Halbwertszeiten und Häufigkeiten aufgelistet. Für die interaktive Isotopentabelle von Wikipedia klicken Sie bitte hier.

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Strahlungsarten
Instabile Atome können sich auf zwei Arten umwandeln. Man spricht dabei von radioaktiven Alpha- und Beta-Zerfällen. Bei einem Alpha-Zerfall entsteht Alpha-Strahlung und in geringerem Mass Gamma-Strahlung. Beim Beta-Zerfall dagegen entsteht nur Beta-Strahlung.
 
Die drei Strahlungsarten unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und wirken auch unterschiedlich: Bei der Alpha- und Beta-Strahlung sind Atomteilchen beteiligt. Gamma-Strahlung dagegen besitzt keine Materie. Es handelt sich um sehr energiereiches Licht. Alpha- und Beta-Strahlung haben geringe Reichweiten. Sie lassen sich gut abschirmen: Bei Alpha-Strahlung reicht ein Blatt Papier aus, um die schweren Alpha-Teilchen zu stoppen. Bei Beta-Strahlung braucht es zehn Blätter Papier oder eine Aluminiumfolie. Anders sieht es bei der Gamma-Strahlung aus: Da sie keine Materie besitzt und sehr energiereich ist, wirkt sie durchdringend. Um sie abzuschirmen, sind dicke Bleiplatten oder dicke Betonwände nötig. Neben der Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung gibt es auch noch das Phänomen der Neutronenstrahlung.
 
Wird Materie mit Alpha-, Beta- oder Gamma-Strahlen bestrahlt, wird die Materie selbst nicht radioaktiv. 

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Halbwertszeit
Wenn sich ein instabiles Atom umwandelt, entstehen in der Regel zwei neue Atome. Das Ursprungsatom aber existiert nicht mehr.
Die Halbwertszeit gibt an, wie lange es dauert, bis sich die Hälfte der vorhandenen Atome eines radioaktiven Stoffes umgewandelt hat und sich damit auch die radioaktive Strahlung halbiert hat. Für jede instabile Atomvariante (Isotop) ist die Halbwertszeit und die Zerfallsart etwas Charakteristisches. Es gibt in der Natur instabile Atome mit einer Halbwertszeit von einem Sekundenbruchteil und andere mit Halbwertszeiten von Milliarden von Jahren.


Halbwertszeiten und Strahlungsarten der in der Natur vorkommenden Uran-Varianten:



Die Anzahl Umwandlungen (Zerfälle) pro Sekunde gibt die Strahlungsintensität (Aktivität) eines Stoffs an. Die Aktivität wird in der Einheit Becquerel angegeben. Viele Umwandlungen pro Sekunde ergeben eine hohe Anzahl Becquerel, wenige Umwandlungen eine tiefe Zahl.
 
Die Halbwertszeit und die Aktivität eines Stoffes sind mit einander gekoppelt: Kurze Halbwertszeiten bedeuten viele radioaktive Zerfälle pro Sekunde (hohe Becquerel). Stark strahlende Stoffe haben also kurze Halbwertszeiten. Lange Halbwertszeiten dagegen bedeuten, dass wenige radioaktive Zerfälle pro Sekunde stattfinden (tiefe Anzahl Becquerel). Die Substanz strahlt demnach schwach.

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Strahlensdosis
Wenn der menschliche Körper (und auch Materie allgemein) mit Alpha-, Beta- oder Gamma-Strahlung bestrahlt wird, so wird dieser selbst nicht radioaktiv – genauso wie man auch im Anschluss an eine Röntgenaufnahme selbst nicht strahlt.
 
Radioaktive Strahlung kann aber auf einen lebenden Organismus Auswirkungen haben. Ausschlaggebend ist, wie lange der Körper Strahlung ausgesetzt ist, wie stark diese Strahlung ist und um welche Strahlungsart (Alpha-, Beta-, Gamma-Strahlung) es sich handelt. Die biologische Wirkung einer bestimmten Strahlendosis berücksichtigt diese Faktoren. Die biologische Wirkung wird in  Anzahl Joule  (= Energie) pro Kilogramm angegeben. Ihre Masseinheit ist ein Sievert.
 
Die durchschnittliche Strahlenbelastung beträgt in der Schweiz pro Person rund 4 Millisievert (Tausendstel-Sievert) pro Jahr. Siebzig Prozent dieser durchschnittlichen Strahlenbelastung kommen von natürlicher Radioaktivität. Ein Viertel der Belastung stammt aus medizinischen Anwendungen wie Röntgen etc. Fünf Prozent der durchschnittlichen Strahlenbelastung schliesslich erfolgen aus Anwendungen der Industrie. Darunter fallen auch die Kernkraftwerke.

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Natürliche Strahlung als Massstab für die Sicherheit
Radioaktive Strahlung kann lebende Zellen schädigen. Extrem hohe Strahlendosen wirken sogar tödlich. Bei stark bestrahlten Lebewesen hat man eine Häufung von Krankheiten wie Krebs und von Veränderungen der Erbanlagen festgestellt. Bei kleinen Strahlendosen können solche Wirkungen mit wissenschaftlichen Methoden bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden. Der Grund dafür ist einfach: Die Wirkungen kleiner Dosen sind, falls überhaupt vorhanden, so gering, dass sie neben anderen Einflüssen wie beispielsweise Umweltgiften oder dem Rauchen nicht ins Gewicht fallen.
 
Natürliche und künstliche Strahlung unterscheiden sich nicht in ihrer Wirkungsweise oder Gefährlichkeit. In beiden Fällen handelt es sich um die gleichen Strahlenarten und teilweise sogar um die gleichen radioaktiven Stoffe. Daher setzt die natürliche Strahlung den Massstab für den sicheren Umgang mit künstlicher Strahlung und die Begrenzung der Strahlendosen.
 
Für Informationen zum Thema Radioaktivität in der Natur klicken Sie bitte hier.
Für Informationen, wie Radioaktivität in den Körper gelangt, klicken Sie bitte hier.

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Schutz vor radioaktiver Strahlung
Bei der Spaltung der Uranvariante Uran-235 in Reaktoren entsteht neben Wärmeenergie auch starke radioaktive Strahlung. Die aus der Kernspaltung entstandenen Spaltprodukte senden ebenfalls Strahlung aus.
 
Künstliche Strahlung tritt aber nicht nur in Kernreaktoren auf. In der Medizin, in Industrie, Wissenschaft und Umweltforschung ist sie für zahlreiche Anwendungen unentbehrlich geworden. Der Strahlenschutz ist für alle Bereiche, in denen mit künstlicher Strahlung gearbeitet wird, gesetzlich geregelt. Dabei geht man vorsichtigerweise davon aus, dass schon kleine Dosen Erbschäden und Krebs verursachen können, obwohl es dafür keine effektiven Nachweise gibt.

Vor Strahlung kann man sich wirksam schützen. Im Atomkraftwerk wird die Bestrahlung des Personals durch massive Abschirmungen und möglichst kurze Aufenthaltszeiten bei Strahlenquellen begrenzt. Filteranlagen und peinliche Sauberkeit helfen zu vermeiden, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unnötig mit radioaktiven Stoffen in Berührung kommen. Die beim Betrieb entstehenden radioaktiven Stoffe werden mit Filtern nahezu vollständig im Kraftwerk zurückbehalten.
 
Für die Abgaben radioaktiver Stoffe in die Umgebung gelten strenge Grenzwerte. Ihre Einhaltung wird ständig überwacht. Die zusätzliche Strahlendosis, der die Bevölkerung in der Nachbarschaft von Kernkraftwerken ausgesetzt ist, entspricht weniger als einem Hundertstel der natürlichen Dosis. Die Schwankungen der natürlichen Strahlendosis von Ort zu Ort sind um ein Vielfaches grösser als die Zusatzbelastung durch ein Kernkraftwerk. Weil die kosmische Strahlung aus dem Weltraum mit der Höhe zunimmt, erhält man selbst bei einem kurzen Ferienaufenthalt in den Bergen eine höhere Dosis als während eines ganzen Jahres in der Umgebung eines Kernkraftwerks.
 
Für Informationen zur Sicherheit in Atomkraftwerken klicken Sie bitte hier .
Für Informationen zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen klicken Sie bitte hier.


Kernenergie einfach erklärt
Was sind die Stärken der Kernenergie? Was sind die Risiken und wie wird damit umgegangen? Das Input-Heft "Kernenergie" von Jugend&Wirtschaft erklärt die Rolle der Kernenergie in der heutigen Energiewirtschaft und bietet eine Basis für die Diskussion rund um die Kernenergie.
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Haben Sie sich auch schon gefragt, was Strom überhaupt ist, wie er in den Kernkraftwerken erzeugt wird und wie schliesslich die radioaktiven Abfälle sicher entsorgt werden? All diese Fragen und viele mehr beantworten wir Ihnen gerne in unseren Besucherzentrren, auf einem Rundgang durch ein Kernkraftwerk, das Zwilag oder eines der Felslabors.

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