Mit Computeranalysen von Fernsehübertragungen wollen Ballsporttrainer Fehlerquellen aufspüren. Bald sollen die Programme schon während des Spiels wertvolle Tips liefern - ohne teure Zusatzkameras.
Warum das Team verloren hat? Auf diese Frage antworten Trainer gern mit: "Das müssen wir erst eingehend analysieren." Michael Beetz könnte nicht nur unmittelbar nach einem vergeigten Match präzise Antworten geben, sondern schon währenddessen. Ob Fußball, Handball oder Hockey: Der Informatiker der Technischen Universität München weiß genau, wann Spieler ausgewechselt werden sollten, ob die gegnerische Mannschaft anfällig für Konter ist oder über welche Seite die Tore am besten vorbereitet werden. Sein Helfer: das Computerprogramm Aspogamo, kurz für "A Sports Game Analysis Model", eine kameragesteuerte Spielanalysesoftware.
Anders als herkömmliche Mannschaftssport-Analyseprogramme arbeitet das Programm der TU München nicht mit mehreren zusätzlichen Kameras. "Wir benötigen nur die Fernsehbilder der Liveübertragung", sagt Beetz. Dabei vergleicht die Software ständig den aktuellen Bildausschnitt mit einem virtuellen Modell des Spielfeldes, in dem Orientierungspunkte wie Rasenlinien, Spielfeldmarkierungen und Bandenwerbungen eingetragen sind. Anhand von Größe, Trikotfarbe und Rückennummer erkennt das System, welcher Spieler im Bild zu erkennen ist.
Aspogamo muss daher vor jedem Spiel mit diesen Informationen gefüttert werden. Dann kann die Software aber fast jede Frage zu Taktik und Statistik beantworten. Wie viele Pässe hat der Mittelfeldspieler geschlagen? Wie viele Dribblings gewonnen? Wann hätte er den Ball besser abgegeben? Um Torchancen zu berechnen, werden die Entfernung zum Tor und die Zahl der Gegenspieler zwischen dem Schützen und dem Torwart berücksichtigt. "Wichtig ist aber vor allem der Winkel, aus dem der Spieler das Tor treffen kann", sagt Beetz. "Wir können auch erkennen, wie fit ein Spieler noch ist", sagt Martin Lames von der Universität Augsburg, der das Projekt als Sportwissenschaftler betreut. Dazu zählt die Software, welche Strecken der Spieler wie oft läuft. Das Ergebnis ist sein Aktionsradius, eine Ellipse um seine Stammposition. "Wird diese Fläche im Verlauf des Spiels kleiner, läuft der Spieler weniger. Das ist dann ein Zeichen zum Auswechseln", sagt Lames.
Man beobachte das Projekt mit Interesse, sagt Dieter Gudel vom Fußball-Erstligisten HSV, halte die Datenauswertung in Echtzeit aber noch für zu ungenau. Er arbeitet mit einem System, das auch die deutsche Frauenfußballmannschaft in Peking für den DFB testet. Bei dem System namens Amisco Pro werden die Videobilder ebenfalls im Computer ausgewertet, müssen dafür aber von Mitarbeitern der Herstellerfirma Mastercoach International aufbereitet werden. Bisher können Analysen erst einige Stunden nach dem Spiel geliefert werden. Aspogamo soll das in rund zwei bis drei Jahren ändern: "Spieldaten in Echtzeit zur Verfügung zu haben, dürfte die Taktik im Fußball grundlegend verändern", sagt Lames.
FTD.de, 28.08.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: http://ias.cs.tum.edu/projects/aspogamo/
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