Angesichts drohender Rezession brauchen Chefökonomen ein besonders Feingefühl. Die FTD stellt die wichtigsten von ihnen vor und zeigt, wie sie ihre Prognosen erstellen und wo sie die derzeit größten Gefahren für die Wirtschaft sehen.


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Die Denker der Lenker (3)

Carsten Klude - Der Treffsichere

von Sven Clausen (Hamburg)

Für Carsten Klude sind nüchterne Zahlen und Daten kein notwendiges Übel der Analyse. Der Chefökonom bei M.M. Warburg betreibt Prognose wie eine Expedition in unerforschtes Terrain.

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Wenn Carsten Klude startet, was er "seine Entdeckungstour" nennt, steigt er zu Hause in einen handelsüblichen Herrenanzug, legt die Krawatte um und fährt mit der Bahn bis in die Hamburger Innenstadt. Kurz stoppt er an einem Ausschank für Kaffeespezialitäten, rasch weiter, Treppe hoch, zweimal abbiegen, Tür aufgeschlossen, zum Schreibtisch, ein Knopfdruck - endlich.

Da ist er: Kludes Dschungel. Finanzmärkte, Charts, Tabellen, Datenkonvolute aus allen Volkswirtschaften der Welt - der Chefvolkswirt der Hamburger Privatbank M.M. Warburg hat sich alles so eingerichtet auf seinen beiden Computerbildschirmen, dass er die Pfade findet. "Das ist der Traumjob für mich. In die Daten einzusteigen und einen roten Faden zu entdecken, das begeistert mich."

Carsten Klude, Chefökonom bei M.M Warburg begeistert sich für Zahlen
 Carsten Klude, Chefökonom bei M.M Warburg begeistert sich für Zahlen

Der 40-Jährige ist sonst keiner, der zu großer Begeisterung neigt. Aufgewachsen in Bremen, studiert in Kiel, ist er ein sehr norddeutscher Typ - gedrosselte Freundlichkeit, im Zweifel lieber einen Scherz weniger. Bevor er antwortet, senkt er oft leicht die Augenlider und nickt drei-, viermal sehr bedächtig. Der Prototyp eines Prognostikers. Obwohl ihm bei M.M. Warburg - anders als seinen Berufskollegen der Großbanken - keine Armada an Hilfsanalytikern zur Seite steht, sondern lediglich ein Kollege, ist er einer der treffsichersten Ökonomen der Republik. Seit drei Jahren hält er sich in der FTD-Rangliste der besten Prognostiker für das Wirtschaftswachstum in Deutschland unter den top vier. Ein Geheimrezept hat er nicht - sagt er zumindest. Die Fundamentaldaten aus den Schwellenländern seien weiter sehr wichtig. "Es gehört aber auch ein wenig Glück dazu, die Indikatoren richtig zu wählen. Die gewinnen und verlieren an Bedeutung."

Datenanalyse auch im Urlaub

Die Datenexegese lässt den Mann nicht los. Das bekommen auch seine Frau und die beiden Töchter zu spüren. "Meine Familie ist zwar nicht begeistert, aber wir haben einen Weg gefunden", sagt Klude. 60 bis 90 Minuten pro Tag schaue er sich auch im Urlaub die neuesten Daten an. "Zwei Wochen weg und völlig raus sein - das kann ich mir nicht vorstellen."

Ein wenig geht es dabei auch um die eigene Existenzberechtigung. Dass eine so überschaubar große Privatbank wie M.M. Warburg mit rund 1000 Beschäftigten und einem Überschuss von rund 60 Mio. Euro sich einen eigenen Chefvolkswirt leistet, ist keineswegs selbstverständlich. Doch die Bank rühmt sich ihrer Unabhängigkeit, und da, findet Klude, brauche es nun einmal einen eigenen Blick auf die ökonomische Weltlage. Sein direkter Vorgesetzter ist Max Warburg, einer der vier Partner der Bank.

Schneisen durch die Weltökonomie

Kludes wichtigste Stunde schlägt an jedem zweiten Dienstag im Monat, wenn er im großen Sitzungssaal vor das Team Asset Allocation tritt. Am Besprechungstisch des mit viel Holz und einem Kamin ausgestatteten Raums warten die Leiter des Portfolio-Managements der Tochterbanken. Der Kollege des Bankhauses Löbbecke ist aus Berlin angereist, der des Bankhauses Plump aus Bremen, die Statthalter M.M. Warburgs aus der Schweiz und Luxemburg sind eingeflogen. Es gilt, die grobe Richtung festzulegen, um den millionenschweren Kunden bei der Anlage ihres Vermögens die richtigen Hinweise zu geben. Klude schlägt Schneisen durch die Weltkökonomie, sagt, wo es ungemütlich werden könnte und wo die Sonne scheint. Am Ende macht er Vorschläge, ob seine Kollegen beispielsweise eher auf Aktien oder auf Anleihen setzen sollten. Das Team entscheidet mehrheitlich, Klude hat keine Stimme.

Seit 2000 ist Klude Chefvolkswirt. Nur zweimal, erinnert er sich, hat die Runde gegen ihn gestimmt. "Einmal hat es sich als richtig herausgestellt, einmal als falsch." Als Klude 2005 angesichts des hohen Ölpreises die Aktienkäufe drosseln wollte, blieben die Vermögensverwalter optimistisch - was sich als richtig herausstellte. Ende 2007 dann empfahl er, angesichts der Finanzkrise das Aktienengagement zu reduzieren. Doch es dauerte zwei Wochen, bis die Kollegen einschwenkten. Klude nickt bedächtig.

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Aus der FTD vom 15.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Olaf Ballnus

 
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