Horst Seehofer wirkt in der CSU als Retter in der Not - als Minister gilt er aber als Fehlbesetzung. Von "ausgeprägtem Opprtunismus" ist die Rede.
Es sind finstere Zeiten für die CSU: Erstmals muss die Partei um ihre absolute Mehrheit in Bayern bangen, Parteichef Erwin Huber wackelt bedenklich. Als Retter in der Not gilt den gebeutelten CSU-Anhängern Horst Seehofer. Sollte seine Partei am Sonntagabend tatsächlich die 50-Prozent-Marke verfehlen und Huber stürzen, gilt der Bundesverbraucherminister als aussichtsreichster Nachfolger. Dabei halten viele in Berlin den Minister für einen Totalausfall.
Der Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode, macht aus seiner Abneigung gegenüber Seehofer keinen Hehl. Bode wirft dem Minister "besonders ausgeprägten Opportunismus vor: Er reagiert nur, wenn der öffentliche Druck zu groß ist". Und Bode ist keineswegs der Einzige, der Seehofer angreift. Sondern eher ein kleiner Fisch im Berliner Haifischbecken der Kritiker.
Ob Nahrungsmittelhersteller, Umweltschützer oder Bauern: Wirklich zufrieden ist keiner mit der Politik des Bayern. "Seehofer hält sich nicht an Versprechen, er hängt sein Mäntelchen dahin, wo es ihm gerade am günstigsten erscheint", klagte etwa der Inhaber eines mittelständischen Nahrungsmittelherstellers. So wird Seehofers Vorgängerin Renate Künast (Die Grünen) plötzlich überraschend beliebt. Diese sei zwar unbequem gewesen. "Aber sie war hochkompetent, streitbar und hatte eindeutige Positionen", erinnert sich der Unternehmer.
Beliebtes Beispiel: Die Ampel-Debatte. Noch Ende Januar versprach der Minister auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln Produzenten, mit ihm werde es eine Ampel nicht geben. "Volksverdummung" nannte Seehofer zuvor schon die farbige Kennzeichnung, mit der Verbraucher sofort erkennen können, wie viel Zucker oder Fett ein Produkt enthält - und die in Großbritannien das Kaufverhalten drastisch geändert hat.
In einer Verbraucherumfrage Ende März sprach sich aber eine satte Mehrheit der Befragten für die Ampel aus - und Seehofer änderte seine Position. Die plötzliche Kehrtwende habe doch "sehr überrascht", sagt Jürgen Abraham, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Die Kritik gipfelte Ende Mai in einer geharnischten Erklärung der Wirtschaft - unterschrieben von fünf Verbänden, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Einzelhandelsverband HDE. "Unternehmen brauchen die Politik als verlässlichen Partner, sie brauchen eine verlässliche Planungsgrundlage", heißt es dort. "Es ist unverantwortlich, wenn die Politik plötzlich ihren Ansatz ins Gegenteil verkehrt."
In seinem Antwortschreiben beteuerte Seehofer zwar, dass er weiterhin gegen die Ampel sei. Stattdessen solle es eine freiwillige Kennzeichnung namens "1 plus 4" geben - weil die Verbraucher es aber wünschen, farblich unterlegt. Darüber will er im Oktober mit den Verbänden reden. Keine Ampel, aber mit Farben - was auch immer er plant, die Durchsetzung dürfte schwierig werden. Denn auch die CDU stemmt sich weitgehend gegen "1 plus 4".
Aus der FTD vom 26.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters
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