Nun war die amerikanische Regierung wieder da: AIG ist gerettet - und gleichzeitig untergegangen. Der Versicherungsgigant wird nicht mehr zur alten Größe zurückfinden. Über die letzten Stunden eines Imperiums.
Emsig verteilen die Angestellten Flugblätter mit der frohen Botschaft. Der Versicherer AIG ist gerettet, Amerikas Regierung ihm zur Seite gesprungen! Doch es nützt nichts, die Kunden glauben nicht mehr daran, haben das Vertrauen verloren. Immer länger wird die Schlange vor der Dependance in Singapur, bald sind es Hunderte Menschen, Männer und Frauen, meist um die 50 und seit vielen Jahren Kunden des Versicherers.
Ihre Gesichter sind voller Sorgen, ihre Hände voller Policen. Schnell noch wollen sie diese zu Geld machen. Wer weiß, wie lange es AIG noch gibt? "Können Sie mir garantieren, dass mein Geld sicher ist?", fragt ein Wartender ängstlich.
Wer kann das schon in diesen Tagen. Sicher, erst mal ist die Freude groß: AIG ist gerettet. Die US-Regierung gibt der Versicherung einen Notkredit, nimmt sie unter ihren persönlichen Schutz. 116.000 Mitarbeiter und Millionen Kunden atmen auf. "Ich bin froh, dass wir endlich zurückgehen können und das machen, was wir am besten können: Versicherungen verkaufen", sagt ein Mitarbeiter.
Doch was ist eigentlich passiert? Gerettet und untergegangen zugleich scheint AIG, der Gigant, das römische Imperium der Versicherungsbranche. 110 Mrd. $ Umsatz im vergangenen Jahr, 6,2 Mrd. $ Gewinn. Während bei manchem Analysten, Mitarbeiter und Börsenhändler kurzzeitig Jubel aufflackert, ziehen Eingeweihte bereits ein anderes Fazit: Die Aktion sei eine "kontrollierte Sprengung".
Kontrolle, das schien in diesen Tagen wichtig. In Zeiten, in denen Milliarden mal gewährt, mal nicht gewährt werden. 200 Mrd. $ für Fannie Mae und Freddie Mac. 300 Mrd. $ für den Hypothekenversicherer Federal Housing Administration. 29 Mrd. $ als Finanzierung für JP Morgans Übernahme von Bear Stearns. Für Lehman Brothers : gab es nix. Wenige Stunden später, nach kurzem Wanken und Zittern: 85 Mrd. $ für AIG. Verstaatlichung, 80 Prozent der Anteile, der Chef Robert Willumstad muss gehen.
Es sind Untergänge am Fließband, die hier bewältigt werden. Keine Zeit für ordnungspolitische Grundsatzdebatten. "Ein ordnungspolitischer Sündenfall, aber unumgänglich", sagt BHF-Chefvolkswirt Uwe Angenendt. Ohne Frage: Willkür ist hier nicht am Werk.
AIG war einfach zu groß, um unterzugehen. AIG sei systemisch wichtiger gewesen als Lehman Brothers, heißt es. Und auch der Überraschungseffekt ist größer. Es geht auch um Psychologie, nicht um Prinzipien.
Aus der FTD vom 18.09.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: reuters
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