Weinkeller Atlantik

"Die Wellen wiegen die Flaschen wie Kinder"

Der bretonische Sommelier Yannick Heude war auf der Suche nach dem idealen Weinkeller. Den hat er gefunden: Seit fünf Jahren versenkt er Wein und Champagner im Atlantik.

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FTD: Herr Heude, Sie lagern 600 Flaschen Champagner im Wert von 24.000 Euro auf dem Meeresgrund. Haben Sie keine Angst, dass die geklaut werden?

Yannick Heude: Natürlich, deswegen halten wir den Lagerungsort ja auch streng geheim. Außerdem überwacht die SNSM, die französische Seenotrettungsorganisation, die Umgebung. Ein viel größeres Problem sind Stürme. Es ist schon vorgekommen, dass sich die Kisten dabei geöffnet haben und wir die Flaschen wieder auf dem Meeresboden einsammeln mussten. Deswegen beschäftigen wir zwei Taucher, die einmal im Monat nach dem Rechten sehen und verloren gegangene Flaschen suchen.

FTD: Was macht den Atlantischen Ozean zu einem guten Weinkeller?

Heude: Der Atlantik hat die stärksten Gezeiten aller europäischen Meere. Das Wasser strömt zweimal am Tag mit einer Geschwindigkeit von acht Knoten an den Weinkisten vorbei, das sind etwa 15 Stundenkilometer. Die Wellen wiegen die Flaschen im Meer hin und her, so wie man Kinder in einer Krippe wiegt. Das wirkt sich enorm positiv auf den Reifeprozess aus. Hinzu kommt, dass es unter Wasser kein schädliches UV-Licht gibt und das Meer in einer Tiefe von zehn Metern das ganze Jahr über eine Temperatur von etwa 13 Grad aufweist.

Der bretonische Sommelier Yannick Heude ist überzeugt: Der Atlantik ist ein perfekter Weinkeller
 Der bretonische Sommelier Yannick Heude ist überzeugt: Der Atlantik ist ein perfekter Weinkeller

FTD: Aber was genau macht die "Immersion", wie Sie die Versenkungsmethode nennen, gut für einen Wein?

Heude: Rotweine, die viele Tannine enthalten, bleiben durch die Immersion länger jung, werden aber runder im Geschmack. Das ist vor allem der Massage der Flaschen durch die Gezeiten zu verdanken. Bei Weißweinen, die weniger stark tanninhaltig sind, hat die Immersion einen anderen Effekt. Die fangen unter Wasser richtig an zu arbeiten - und gewinnen so an Komplexität gegenüber Weißweinen, die im Weinkeller lagerten.

FTD: Sie sind Vorsitzender der "Association de l'immersion". Wie viele Mitglieder haben Sie ?

Heude: Das hält sich in Grenzen, wir sind ungefähr ein Dutzend Leute. Hauptsächlich sind wir damit beschäftigt, die jährlich stattfindende "Fête de l'immersion" zu organisieren. Dieses Fest findet immer am ersten Juniwochenende statt, wenn wir die alte Ladung Wein hochholen und die neue versenken.

FTD: Dieses Jahr haben Sie sich zum ersten Mal an Champagner versucht. Muss man den anders versenken als einen Rotwein?

Yannick Heude präsentiert stolz den im Atlantik gereiften Champagner in seinem Weinladen
 Yannick Heude präsentiert stolz den im Atlantik gereiften Champagner in seinem Weinladen

Heude: Die Immersion ist bei Champagner weniger kompliziert als bei Rot- oder Weißweinen, weil die Flaschen sowieso unter Druck stehen und deswegen nicht weiter präpariert werden müssen. Weinflaschen muss man mit extra starken Korken versehen, die am Flaschenrand eingewachst werden. Darüber wird noch einmal eine Kapsel gesetzt, damit kein Meerwasser in die Flasche gelangt.

FTD: Wie sieht eine Flasche aus, die zwölf Monate auf dem Meeresboden gelegen hat?

Heude: Sie ist überaus hübsch und außerdem völlig einzigartig! Wenn wir die Flaschen aus dem Meer holen, sind sie komplett überzogen mit Muscheln, Algen und anderen Ablagerungen. Natürlich muss man sie neu etikettieren - das Originaletikett hat sich nach einem Jahr unter Wasser längst abgelöst.

FTD: Mit Louis Roederer haben Sie eine traditionsreiche Weinkellerei für Ihre unkonventionellen Methoden gewinnen können. Hat das viel Überzeugungsarbeit gebraucht?

Heude: Aber nein, die haben sofort zugesagt. Sie fanden, das sei eine hübsche Idee. Und der Erfolg gibt uns recht: Wir haben schon 540 Flaschen im Voraus verkauft - obwohl sie gut 10 Euro teurer sind als eine herkömmliche Flasche Roederer-Champagner.

FTD: Gibt es einen wissenschaftlichen Beleg für den Einfluss des Meeres?

Heude: Nein, erforscht wurde das noch nicht. Aber wir haben gemerkt: Je stärker die Strömungen, desto besser. Die Flaschen müssen schaukeln!

FTD: Aber das Schaukeln lässt sich doch auch im Weinkeller simulieren?

Heude: Technisch ist das sicher möglich. Aber ich denke, dass es viel teurer wäre, solche Gerätschaften zu entwickeln, zu bauen und in Betrieb zu halten, als die Flaschen einfach im Meer zu versenken. Wissen Sie, das Meer ist vollkommen - warum sollten wir nicht einfach davon profitieren?

Das Interview führte Hanna Klimpe.

Erhältlich unter:

 

Cave de l’abbaye de St Jean

7 rue des Cordiers

35400 St Malo

 

www.cave-abbaye.com

Telefon 0033 /2/99 20 17 20

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FTD.de, 04.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Yannick Heude, Yannick Heude

 

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