Was gestern vor einer Woche noch unvorstellbar war, ist heute Wirklichkeit: Investmentbanken implodieren, die US-Regierung verstaatlicht mit Hilfe der Fed den größten US-Versicherer und der deutsche Einlagensicherungsfonds scheint auch nicht mehr so sicher wie geglaubt. FTD.de analysiert und kommentiert die unglaublichen Vorgänge.


Diese Serie als RSS-Feed abonnieren FTD-Serie als RSS-Feed

Kommentar

Kaupthing - Die Gier der kleinen Leute

von Tim Bartz (Frankfurt)

Island macht das Triple voll: Nach Glitnir und Landsbanki verstaatlicht die Inselregierung mit Kaupthing auch die größte Bank des Landes. Was das für deutsche Sparer heißt, ist noch unklar. All zu groß sollte das Mitleid mit ihnen indes nicht ausfallen.

ZUM THEMA

"Sehr geehrte Kaupthing Edge Kunden, die Kaupthing Bank wurde heute unter die Aufsicht der isländischen Bankenaufsicht gestellt. Derzeit ist der Zugriff auf die Online Konten nicht möglich. Sie erhalten schnellstmöglich weitere Informationen." Wer am Donnerstag auf die deutsche Website der Isländischen Bank geht, erlebt sein blaues Wunder - nicht nur was die Interpunktion angeht: Nichts geht mehr.

Da helfen auch die Hinweise auf traumhafte Tagesgeldzinsen von 5,65 Prozent oder sogar 6,10 Prozent für Zwölfmonatsgeld nichts mehr. Denn die nunmehr nationalisierte Kaupthing Edge Bank untersteht nicht der deutschen Einlagensicherung, für die Bundeskanzlerin ja gerade erst eine Patronatserklärung abgegeben hat. Zuständig ist vielmehr die isländische Bankenaufsicht, die Einlagen deutscher Kunden bis zu 20.887 Euro zu 100 Prozent garantiert.

Ob Reykjavik wirklich einspringt, ist indes unklar. Die deutsche Niederlassung in Frankfurt ist bislang jedenfalls telefonisch nicht erreichbar. Und: Auch in Island selber geht bei der dortigen Bankenaufsicht seit Tagen schon niemand mehr ans Telefon, um besorgten deutschen Kleinsparern Auskunft zu erteilen, wie sicher ihr Geld denn ist.

Wer sich in den vergangenen Jahren allerdings von den Hochzinskonten der Kaupthing Bank anlocken ließ, musste wissen, welches Risiko er eingeht. Oft genug wurde nicht nur in Fachmagazinen darauf hingewiesen, dass das Geld nicht durch den hiesigen Einlagensicherungsfonds abgesichert ist. Und lange schon ist bekannt, dass Island gegen den Staatsbankrott ankämpft. So senkte die Ratingagentur Fitch bereits im Februar 2006 den Ausblick für Islands Ratings von "stabil" auf "negativ". Die Gründe damals, die so auch heute noch gelten: wachsende makroökonomische Ungleichgewichte, das steigende Leistungsbilanzdefizit und die zunehmende Auslandsverschuldung.

Auch die horrende Verschuldung von Glitnir, Landsbanki und Kaupthing ist ebenfalls seit Jahren bekannt. Sie beträgt ein Vielfaches des isländischen Bruttoinlandsproduktes. Erst in diesem Frühjahr war der Verkauf der niederländischen Handelsbank NIBC an Kaupthing gescheitert, weil die Isländer schlicht das Geld nicht zusammenbekamen. Kurzum: Dass etwas faul ist im Staate Island, konnte jeder wissen, der sein Geld bei Kaupthing Edge angelegt hat. Da geht es den Kleinsparern auch nicht anders als Investmentbankern: Die Gier war größer als der Sachverstand, Sicherheitsdenken und Risikovermeidung kein Thema. Mitleid wäre daher fehl am Platz.

Google Tausendreporter Furl YiGG Mister Wong del.icio.us Webnews

Bookmarken bei ...

 

FTD.de, 09.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

 FTD-Services 

 Nachrichten 

Internationale Pressestimmen

Während die Märkte weltweit einbrechen, debattieren die Kommentatoren über kommende Großmächte und Weltfrieden. mehr

Leitartikel

Der Skandal um das Schmerzmittel Vioxx ist ein erster Test für das Arzneimittelgesetz. mehr

Leitartikel

Dass die Bahn wegen der Finanzkrise vorerst nicht an die Börse geht, ist folgerichtig. Trotzdem droht Ärger. mehr

Gastkommentar

Mit einer gemeinsamen Lösung können die EU-Staaten auch das globale Finanzsystem neu ordnen. mehr

Leitartikel

Barack Obamas distanzierte Art ist dank der Finanzkrise im Wahlkampf schwer gefragt. mehr

Leitartikel

Die Zinssenkung der EZB ist langfristig sinnvoll. mehr

Gastkommentar

Die Bundesregierung sollte die Hypo Real Estate verstaatlichen. mehr

Kommentar

Die britische Regierung geht angesichts der Dramatik an den Kapitalmärkten neue Wege im Krisenmanagement. mehr

Gastkommentar

Auch ohne die Finanzkrise ist ein Börsengang der Bahn zum geplanten Termin ökonomischer Unsinn. mehr

Leitartikel

Der Autozulieferer sollte seine Absprachen gegenüber Conti einhalten. mehr

Leitartikel

Mit Horst Seehofer steht der Kanzlerin Ärger nach altbekanntem Muster ins Haus. mehr

Gastkommentar

Die Finanzkrise bei der Bank hat auch mit katastrophalem Personalmanagement zu tun hat. mehr

Mehr News aus Kommentare

Kommentare als