Die EU-Staaten wollen von der Pleite bedrohte Großbanken auf jeden Fall retten. Das beschlossen die europäischen Finanzminister in Luxemburg und stellen Hilfen in Milliardenhöhe in Aussicht.
"Wir haben uns darauf geeinigt, systemisch relevante Finanzinstitutionen zu unterstützen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag zur Finanzkrise. Die Regierungen versuchen mit dieser politischen Zusage, die massiv verunsicherten Märkte zu beruhigen. Aus Angst vor neuen Bankpleiten leihen sich die Institute gegenseitig praktisch kein Geld mehr - was das Finanzsystem schwer erschüttert hat. Als Auslöser für die dramatische Zuspitzung der Finanzkrise sehen viele Experten die kürzliche Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.
"Wir werden keine europäische Variante von Lehman Brothers akzeptieren", sagte die französische Wirtschaftsministerin und derzeitige EU-Ratspräsidentin Christine Lagarde. Ein gemeinsamer europäischer Rettungsplan ist allerdings weiter nicht geplant. Jeder Mitgliedsstaat entscheidet selbst über Notmaßnahmen, soll sich aber mit den anderen EU-Staaten abstimmen. Dabei sollen die möglichen Schritte von Kapitalspritzen, dem Kauf von Vermögenswerten bis hin zu Bürgschaften für Bankschulden reichen können.
"Wir sind uns einig, dass öffentliche Interventionen auf nationaler Ebene in einem koordinierten Rahmen beschlossen werden", so der Text. Die Europäer entschieden zudem, zur Beruhigung der Sparer die Mindesteinlagensicherung von heute 20.000 Euro für Privatanleger auf 50.000 Euro auszudehnen.
Forderungen großer EU-Staaten, die Grenze auf 100.000 Euro anzuheben, scheiterten am Widerstand kleinerer Länder. Für deutsche Spareinlagen hatte die Bundesregierung zuvor eine unbegrenzte Garantie ausgesprochen. Ein Einlagenschutz für Sparer könnte bei der Pleite einer Bank allerdings schwere Verwerfungen im Finanzsystem nicht verhindern.
Kanzlerin Angela Merkel untermauerte am Dienstag die Garantie - die nicht per Gesetz festgeschrieben werden soll. "Kein Sparer muss um seine Einlagen fürchten", sagte die CDU-Politikerin vor dem Bundestag. Merkel warnte vor den Folgen der Krise: "Es geht um nichts mehr und nichts weniger als unser Vertrauen in unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung."
Merkel kündigte eine "neue Systematik" im Umgang mit bedrohten Banken an. Details nannte sie nicht. In Regierungskreisen hieß es, Berlin wolle erreichen, dass die Märkte durchschauen können, wie die Regierung in Krisenfällen entscheidet. Geplant seien Kriterien, um zwischen "systemisch relevanten" und weniger wichtigen Banken zu unterscheiden.
In ganz Europa versuchten die Regierungen am Dienstag hektisch, die Krise in den Griff zu bekommen. Island verstaatlichte angesichts einer drohenden Staatspleite seine zweitgrößte Bank und bat Russland um einen Notkredit von 4 Mrd. $. Moskau wiederum stellte 27 Mrd. Euro zur Stützung der eigenen Banken bereit. Spanien kündigte die Einrichtung eines Banken-Notfonds im Umfang von 30 Mrd. Euro an. Die britische Regierung beschloss eine Teilverstaatlichung angeschlagener Institute: Im Gegenzug für eine Finanzspritze von bis zu 50 Mrd. Pfund soll der Staat Bankaktien erhalten. Details will London am Mittwoch bekanntgeben.
Auch die US-Notenbank griff zu drastischen Mitteln: Die Federal Reserve will unbesicherte kurzfristige Anleihen (sogenannte Commercial Papers) vom Markt kaufen. Der Internationale Währungsfonds bezifferte den Schaden durch die Finanzkrise auf mindestens 1400 Mrd. $.
Aus der FTD vom 08.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: ddp
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