Zu seinem 56. Geburtstag präsentiert Russlands Regierungschef Wladimir Putin eine Judo-DVD. Darauf zeigt er seine besten Würfe und erläutert seine Philosophie: Kompromisse gibt es nur, wenn sie zum Sieg führen.
Ach, der Wladimir Putin tut immer so bescheiden. Ihm sei der Personenkult um ihn überhaupt nicht recht, ließ der russische Regierungschef seinen Sprecher diese Woche ausrichten. Und auch zu seinem 56. Geburtstag gibt Putin sich jetzt ganz zurückhaltend. Als er am Dienstag in seiner Heimatstadt St. Petersburg die DVD "Wir lernen Judo mit W.W. Putin" präsentierte, sagte er: "Aber nicht ich bin hier die Hauptfigur, sondern die großen japanischen und koreanischen Lehrer sind es." Was natürlich kompletter Unsinn ist. Aber Putin tut ja auch so, als sei nicht er, sondern sein Nachfolger im Präsidentenamt, Dmitri Medwedew, der starke Mann in Russland.
"Die Praxis des Judo lässt Kompromisse und Zugeständnisse zu - aber das ist nur möglich, wenn sie der Weg zum Sieg sind", sagt Putin zu Beginn der 90-minütigen Judolehrstunde. Dabei sitzt er ganz friedlich in einem abgedunkelten Raum, hinter ihm die Statue eines Judoka im Lotussitz - von der man nicht weiß, ob sie einen eher an "Darth Vader" aus Star Wars oder an Putin selbst erinnert. Ziel sei es, die maximale Wirkung bei einem Minimum an Aufwand zu erreichen, sagt der Regierungschef weiter. Und: "Ein guter Judoka muss die schwachen und die starken Seiten des Gegners an den Tag bringen." Danach wird es martialischer.
Die DVD ist Putins Art, seinem Land und der ganzen Welt zu zeigen: "Ich bin durchtrainiert, ich bin stark, ich bin mächtig." So wie er es immer wieder durch gekonnt inszenierte Bilder zeigt. Wenn er sich etwa mit nacktem Oberkörper beim Angeln ablichten lässt. Oder mit Pistole am Schießstand. Oder wenn er ein Kamerateam vor einem wild gewordenen Tiger rettet, indem er das Tier mit einem Betäubungsgewehr abknallt. Das ist Putins Bildsprache. Und so ist auch Putins Judovideo.
"Diese Bilder sollen zeigen, dass Putin ein harter Typ ist", sagt Meinungsforscher Denis Wolkow vom Moskauer Lewada-Institut über die DVD. "Die Russen sind der Auffassung, dass das Oberhaupt eines so großen Landes hart und entschlossen sein sollte." Mit seiner Gestik und seinem Wortschatz gebe Putin den Menschen das Gefühl, dass Russland seine frühere Macht wiedererlangt habe. Und so hat Putin auch fast ein halbes Jahr nach seiner Ablösung als russischer Präsident nichts von seiner Popularität eingebüßt. Im Gegenteil: Es gibt eingelegte Auberginen, Paprika und Bohnen der Marke Putin. Diese Woche erhielt eine Straße in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny den Namen Putins. Und im September erreichten die Umfragewerte sogar einen neuen Rekordstand: Nach dem Georgienkrieg wuchs die Zustimmung der russischen Bevölkerung zu Putin von 83 auf 88 Prozent.
Nach der philosophischen Einführung in dem Video darf Putin, der seit seinem 13. Lebensjahr Judo macht und heute den schwarzen Gürtel trägt, seine durchaus spektakulären Würfe und Griffe demonstrieren. Mit gekonnter und inszenierter Leichtigkeit schmeißt er seine Gegner auf die Matte. "Das ist die gute alte sowjetische Schule", lobt Judo-Europameister Ruslan Gasymow.
Dabei hat Putin die DVD gar nicht gemeinsam mit einem alten Sowjet-Judoka aufgenommen, sondern mit dem japanischen Olympiasieger von 1984, Yasuhiro Yamashita. Das Video liegt einem neuen Judolehrbuch bei, das erstmal Schulen zur Verfügung gestellt werden soll. Ob der Putin-Film dann auch in den Einzelhandel kommt, ist allerdings noch nicht sicher, berichten russische Medien. Ob es daran liegt, dass Putin Angst hat, die DVD könne genauso erfolgreich werden wie das erste Judobuch, das er mit Yamashita 2002 veröffentlichte? Denn das erschien in immerhin zwölf Ländern - und so viel Kult ist Putin schließlich gar nicht recht. Er ist ja so bescheiden.
Aus der FTD vom 08.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP, AFP
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