Neue Techniken im Handel

Aufbruch in die Retail-Konvergenz

Der technologische Fortschritt beeinflusst nicht nur mehr nur die Medien, sondern massiv auch den Handel und die Konsumgüterhersteller. Die Annäherung verschiedener Medien bringt neue Entwicklungen, die die Unternehmen beachten sollten.

ZUM THEMA

Eine neue Konvergenz steht kurz vor dem Durchbruch: im Handel und der Konsumgüterbranche. Die rasante Entwicklung der "Digitalen Konvergenz" hat zu weit reichenden Veränderungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie geführt. Bereiche, die bisher deutlich voneinander abgegrenzt waren, rücken immer mehr zusammen. Klassische Branchengrenzen werden aufgeweicht - der Treiber für die "Retail-Konvergenz" aber im Gegensatz zur Medienkonvergenz ist nicht nur die Technologie und die Hersteller, sondern der Konsument. Ein Aufbruch in ein sehr nahes Zukunftsszenario, in der sich die neuen Medien, der technologische Fortschritt sowie Hersteller und Händler vertragen müssen - getragen und verlangt vom Konsumenten.

Kritische Masse

Was also, wenn sich Tausende von Personen über das Internet zusammen tun und eine Großbestellung Zahnpasta aufgeben? Was, wenn sie die gleiche Zahnpasta in einem Blog schlecht bewerten? Und was, wenn sie in einem großen Brainstorming nicht nur die Anforderungen an eine Zahnpasta formulieren, sondern diese auch zusammen von den Ingredienzien bis zur Verpackung selber entwickeln? Einerseits ein bedrohliches Szenario für den Handel, andererseits eine goldene Zukunft für den Konsumenten - so scheint es zumindest auf den ersten Blick.

Wie sich Konsumenten die Zukunft im Handel vorstellen
 Wie sich Konsumenten die Zukunft im Handel vorstellen

Dabei ist dies eine Riesenchance für Unternehmen und Handel. In gar nicht allzu entfernter Zukunft, glauben Konsumenten laut TNS Infratest Studie "Retail 2015", bereits in nur sieben Jahren soweit zu sein, Produkte, deren Erscheinen im Supermarktregal, und die Preise massiv beeinflussen zu können.

Die Spinne im Netz

Also in 2015 wird die scharfe Trennlinie zwischen Hersteller und Verbraucher aufgeweicht - ein Prozess, von dem beide profitieren können. Jetzt schon geben manche Hersteller die Möglichkeit, sich auf speziellen Unternehmensseiten zu Produkten zu äußern, Verbesserungen vorzuschlagen und den Einsatz im Alltag zu kommentieren. Eine Meinungsvielfalt, die es auszuwerten und in die Produktentwicklung einzubinden gilt. Ein Prozess, der noch viel weitreichender sein kann: Produkte, die einen ganz neuen Ansatz besitzen, Features, auf die die eigene Entwicklungsabteilung nicht gekommen wäre - ein riesiger Pool an Ideen wartet nur darauf abgeschöpft zu werden.

Denn die Verbraucher sind willens zu teilen: sei es aus Treue zu einer Marke, sei es aus der Notwendigkeit heraus, ein Produkt für den eigenen Alltag zu kreieren oder zu verbessern. Genauso willens sind sie, in der nahen Zukunft genau diese Produkte auf jetzt noch nach Science Fiction anmutenden Wegen aus- und anzuprobieren.

Keine Technologie um der Technologie willen

Zukunftsmusik: Plakate können mit Handys kommunizieren. Praxistauglich ist die Technik im Moment noch nicht
 Zukunftsmusik: Plakate können mit Handys kommunizieren. Praxistauglich ist die Technik im Moment noch nicht

Dass das Handy dabei auf neuen Wegen eingesetzt wird, daran glauben viele Konsumenten - sind darüber aber nicht wirklich glücklich. In der Retail-Future geht es also nicht alleine darum, neue Technologien um der Technologie willen einfach einzusetzen und zu hoffen, dass sie von den Konsumenten angenommen werden. Nur weil 78 Prozent der Verbraucher Mobiltelefone besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese auch gerne benutzt werden, um sich die neuesten Werbebotschaften oder Angebote im Supermarkt auf das Display zu holen.

Ein Bild, das immer wieder durch die Presse geistert, wenn über die Digitalisierung in der Zukunft gesprochen wird, ist das des vernetzten Hauses. Besonders gern wird hier der kommunizierende Kühlschrank bemüht, der die fehlende Butter meldet und auch gleich bestellt. Hier stoßen wir wieder auf das interessante Phänomen, dass Technik nicht auch unbedingt als Erleichterung für den Konsumenten steht: Nur wenige Verbraucher können sich vorstellen, dass sie solch einen Kühlschrank im Hause haben möchten - obwohl er doch eigentlich eine Zeitersparnis darstellen würde.

Der Renner der Zukunft - das Smart Cart

Aber ein sogenanntes Smart Cart, ein Einkaufswagen, der per Videobildschirm den Verbrauchern zeigt, wo er die Produkte finden kann, die er als digitalen Einkaufszettel aufgespielt hat, wie viel diese kosten und ob es Coupons dazu gibt, um diese direkt bei der Bezahlung über diesen Wagen einfließen zu lassen, das hat in den Augen der Verbraucher eine Zukunft. Und sollte für die Händler und Hersteller auch eine haben: Die Daten, die durch dieses Smart Cart erhoben werden können, reichen von den Wegen, die der Konsument durch den Supermarkt nimmt, bis hin zu den individuellen Vorlieben beim Einkauf. So können nicht nur die Supermärkte nach den wirklichen Bedürfnissen der Shopper gestaltet werden, die Daten können ebenfalls in den gesamten Shopping-Zyklus einfließen und Herstellern aber auch dem Handel zu echten Insights und damit riesigen Vorteilen verhelfen.

Kunden rechnen mit dem Einkaufswagen, der die Ware selbständig scannt
 Kunden rechnen mit dem Einkaufswagen, der die Ware selbständig scannt

Ich bin, was ich kaufe

Das, was den Konsumenten in den nächsten Jahren beschäftigen wird, sind im Wesentlichen zwei Dinge: Zeitersparnis durch die Einfachheit von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen sowie das Bedürfnis, als Individuum wahrgenommen zu werden. Diese Bedürfnisse sollten auch in der nahen Retail-Zukunft gestillt werden: der Weg dahin geht beispielsweise über eine Bezahlungsweise, von der man annehmen möchte, dass sie in Zeiten der Diskussionen um Datenschutz gar nicht erst von den Verbrauchern in Erwägung gezogen wird - der biometrische Fingerabdruck. Aber die Zeitersparnis besticht und erstickt die Angst um den eventuellen Datenmissbrauch, die im Hintergrund lauern könnte.

Der Konsument ist also bereit für die Technologien der Zukunft. Das ist eine frohe Botschaft. Denn im Gegenteil zur Medienkonvergenz, die den Verbraucher mit immer neuen Features in Atem hält, so dass er meist hinter her hechelt, haben in der Retail-Konvergenz die Verbraucher zurzeit die Nase vorn. Die Bereitschaft, neue Technologien als etwas Sinnstiftendes im eigenen Leben anzuerkennen und zu gebrauchen, ist mehr als vorhanden. Niemand braucht sich vor der geballten Konsumentenmacht zu fürchten - eher im Gegenteil. Noch nie gab es eine so große Chance durch neue Technologien Konsumenten, Hersteller und Handel einander so nahe zu bringen.

Zurzeit ist die Retail-Konvergenz noch Zukunftsmusik - aber eine, die auf jeden Fall spielen wird. Hersteller und Handel müssen aufpassen, dass sie dirigieren und nicht der Konsument.


Die Autorin, Uta Kampers, ist Marketing-Managerin im Bereich Consumer & Retail bei TNS Infratest.

Quelle und mehr Informationen unter: www.tns-infratest.com

Die detaillierten Studienergebnisse der ROPO- und AdWords-Studie finden Sie unter: www.full-value-of-search.de


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FTD.de, 06.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: TNS Infratest, 2008-10-06, Philips Semiconductors, Bloomberg

 
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