Was gestern vor einer Woche noch unvorstellbar war, ist heute Wirklichkeit: Investmentbanken implodieren, die US-Regierung verstaatlicht mit Hilfe der Fed den größten US-Versicherer und der deutsche Einlagensicherungsfonds scheint auch nicht mehr so sicher wie geglaubt. FTD.de analysiert und kommentiert die unglaublichen Vorgänge.


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Haushaltskonsolidierung

CDU-Experte widerspricht Kanzlerin

von Tiemo Rink

Mit 500 Mrd. Euro will die Koalition das Finanzsystem retten. CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter erklärt, warum er im Gegensatz zur Kanzlerin die Haushaltskonsolidierung nicht in Gefahr sieht und jetzt jeder einzelne Bürger gefordert ist.

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Herr Kampeter, wie zerstritten ist die Große Koalition in der Bekämpfung der Finanzkrise?

Überhaupt nicht. Die Koalition ist sich einig, dass wir jetzt ein umfassendes Maßnahmenpaket vorlegen werden. Die getroffenen Entscheidungen werden wir dann in der Union sorgfältig prüfen. Von Streit spüre ich aber nichts.

Der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis 2011 aufgegeben. Union-Fraktionschef Volker Kauder aber sagt, der Staat dürfe nicht mehr Geld ausgeben, als er einnehme. Wie denn nun?

Kauder hat recht! Haushaltssanierung ist keine mathematische Gleichung sondern eine politische Führungsaufgabe. Wenn die Rahmenbedingungen sich ändern, muss man auch die Prioritäten ändern. Das ist das Credo der Union seit Beginn der Legislaturperiode. Deshalb drängen wir auf eine Senkung der staatlichen Kreditaufnahme.

Steffen Kampeter
 Steffen Kampeter

Und der Finanzminister Steinbrück?

Ich glaube, der Finanzminister ist da etwas überinterpretiert worden. Die Entscheidung der Bundesregierung schont den Bundeshaushalt, da sie davon unabhängig ist. Wir gründen einen Rettungsfonds wie damals nach der Flutkatastrophe. Dieses Sondervermögen kann von den Banken zur Eigenkapitalhilfe in Anspruch genommen werden. Im Gegenzug müssen die Unternehmen bestimmte Maßnahmen umsetzen. Und der Staat legt für die Unternehmen, die aus dem Rettungsfonds gestützt werden, auch Gebühren und Dividendenabführungen fest. In Schweden hat sich gezeigt, dass solche Rettungsfonds zur Rettung des Finanzsystems sogar mit Gewinn abschließen können.

Die Haushaltsbelastung erhöht sich durch solche Rettungsfonds also in keinem Fall?

Nein! Dieses Sondervermögen taucht im Bundeshaushalt gar nicht auf. Ich will nicht sagen, dass dieser Fonds ein Profitcenter ist. Es wird auch eine dort auftauchende Neuverschuldung geben müssen. Aber die Zinsen zur Kredittilgung werden aus dem Fonds bezahlt - und nicht aus dem laufenden Bundeshaushalt. Dafür gibt es bei einem solchen Sondervermögen auch unterschiedliche Einnahmemöglichkeiten, nämlich Gebühren und Verkaufserlöse. Die Gefahren für die Haushaltskonsolidierung kommen nicht aus dem Stabilisierungsfonds, sondern aus den Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft.

Gefunden bei stern.de
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Was für Auswirkungen befürchten Sie?

Das lässt sich noch nicht genau sagen. In dieser Woche wird die Wachstumsprognose vorgelegt, am 5. November kommt die aktuelle Steuerschätzung. Bei größeren Steuerausfällen werden wir sehen, ob wir beispielsweise im nächsten Jahr weitere Privatisierungen vornehmen müssen. Bei den bisherigen Schätzungen sehe ich aber keine Notwendigkeit, vom Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes 2011 abzurücken.

Wenn sich die Lage weiter verschlechtert - in welchen Bereichen könnte man aus ihrer Sicht privatisieren?

Wir haben eine ganze Menge Werte im Portfolio. Wahrscheinlich wird die Bahn in diesem Jahr noch nicht im Haushalt vereinnahmt. Das brauchen wir auch vorläufig nicht, weil wir sehr hohe Steuereinnahmen haben. Wir haben außerdem größere Aktienpakete im Telekommunikationsbereich und Flughafenbeteiligungen - unser Beteiligungspaket ist noch sehr dick. Es bestätigt sich nun, dass es richtig war, die Privatisierungsgelder nicht einfach zu verbraten, sondern für schlechte Zeiten aufzubewahren.

Für die Rettung der Banken werden Milliarden bereitgestellt - da könnten andere Ministerien doch neidisch werden. Befürchten Sie nun ähnlich wie die FDP einen Dammbrucheffekt?

Das Gegenteil ist erforderlich. Die Ausgabewünsche der Ministerien müssen sich der neuen Lage anpassen. Die Erfahrung zeigt aber leider, dass die Anpassungszeit in den Ministerien auf die Finanzkrise länger dauert als bei der übrigen Bevölkerung. Alle Mehrforderungen müssen auf den Prüfstand.

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stern.de, 13.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Bloomberg, FTD.de

 

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