Fehleralarm!Leserbrief schreibenArtikel verschickenArtikel druckenFTD-Newsletter bestellenRSS-Feed abonnieren

Philipp Lahm

Jahre der Stagnation

von Matti Lieske (Düsseldorf)

Schwach in der Abwehr, stark im Spiel nach vorn: Nationalspieler Philipp Lahm wäre im defensiven Mittelfeld viel besser aufgehoben als in der Verteidigung.

Lukas Podolski musste schon grinsen, bevor die Frage überhaupt gestellt war. Natürlich ging es um den verblüffenden Qualitätsunterschied seiner Auftritte im Verein und bei der Nationalmannschaft. "Beim FC Bayern spiele ich nicht, hier spiele ich", antwortete der Stürmer noch lapidarer als gewohnt.

Neben Podolski saß an diesem Montag Philipp Lahm. Der spielt auch beim FC Bayern, aber er wird im Gegensatz zu seinen verschiedenen Vereinskollegen nie nach der heilsamen Wirkung gefragt, die das Nationaltrikot offenbar auf Münchner Profis ausübt. Lahm spielt immer, egal ob Klub oder DFB-Team, und er spielt immer gleich. So selbstverständlich ist sein Mitwirken, dass bei der Diskussion um all die Positionen, die umkämpft sind im Nationalteam, häufig vergessen wird, dass ein Platz krisenfester ist als jede Staatsbank. Selbst ein Fehler wie jener Ballverlust, der zum Gegentor beim 2:1-Sieg über Russland führte, wird dem Verteidiger kaum angekreidet. Man hätte den Ball vorher weit wegschlagen müssen, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Das galt Heiko Westermann, Lahm hatte für dieses Mittel keine Zeit mehr.

 Andrej Arschawin (l.) spielt Philipp Lahm aus: Warum muss der Profi des FC Bayern München unbedingt Verteidiger bleiben?

Dass ihm der Ball zu weit vom Fuß sprang, war ein untypischer Fehler für Lahm. Auch unter Bedrängnis technisch sicher und kontrolliert Fußball spielen zu können ist ja gerade seine große Stärke, wegen der er spätestens seit der WM 2006 auch international Aufsehen erregt hat. Mit seinem Vorwärtsdrang, seiner Dynamik und seiner Ballfertigkeit erntete er damals höchstes Lob, zumindest nach den Spielen gegen schwächere Gegner wie Costa Rica, Polen, Ecuador und Schweden. Gegen Argentinien und Italien waren dann auch seine Grenzen zu sehen.

Lahm könne nie schlecht spielen, hat Bayerns Amateurtrainer Hermann Gerland einmal gesagt, aber offenbar kann er auch nicht so gut spielen, wie es seinem Potenzial entsprechen würde. Die Defizite von vor zwei Jahren sind immer noch da und waren auch gegen Russland offensichtlich. Zum Beispiel seine Torschüsse. Dass ausgerechnet ein Ball von Lahm dem Torwart Robert Enke die Hand brach, mutete wie ein schlechter Witz an, Russlands Igor Akinfejew musste sich vor seinen Versuchen jedenfalls nicht fürchten.

Nun gibt es weltweit nicht viele Verteidiger mit einem mächtigen Schuss, und in Deutschland eigentlich nur Christian Pander. Also kein Problem, könnte man meinen. Bei Lahm aber doch, denn er kann auch nicht flanken. Zumindest nicht mit links. Da ihm die klassische Verteidigeraktion, der Weg zur Grundlinie, also verwehrt ist, zieht er stets nach innen, und weil er so schwer vom Ball zu trennen ist, kommt er oft in ideale Schusspositionen, mit denen er aber sehr selten etwas anfangen kann. Lahms Spiel ist auf diese Weise bei aller Wertschätzung nicht nur eindimensional und leicht auszurechnen, sondern häufig auch harmlos. Zu viele von ihm selbst sehr hübsch eingeleitete Angriffe verpuffen ohne Wirkung.