Die Kolumne von Wäis Kiani.


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Kolumne: Wäis Kiani in bester Gesellschaft

Pleiten, Pech, Pyjamas

Neulich saß ich abends allein in meinem Wohnzimmer auf meinem dunkelbraunen Riesensofa, chattete ein wenig mit drei gesprächigen Freunden gleichzeitig auf Facebook, der CD-Player spielte "Youth Novels" von Lykke Li, ich hatte himbeereisfarbene Kaschmirsocken an und war rundum zufrieden.

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Ach ja, die Sache mit Facebook, hab ich das noch nicht erzählt? Die grausame Pranke des Mitläufertums hat mich doch noch erwischt, und jetzt ist alles so, wie ich es an dieser Stelle vor einiger Zeit prophezeit habe: Der Fernseher bleibt aus, und ich hänge nur noch an meinem iBook, um mich virtuell mit meinen Freunden zu amüsieren.

Mitten in diese Idylle hinein klingelt eins meiner Telefone. Es ist Robert, den ich Wichsrobert nenne, weil er einen immer so anwichst. Ich meine, er macht das natürlich im Geiste. Robert war vor einer Woche bei mir zum Dinner eingeladen und will sich dafür bedanken und die Künste der Köchin loben. Dann meint er, ein Freund von ihm würde morgen eine Pyjamaparty machen, ob ich da nicht vielleicht mitwolle.

Meine letzte Pyjamaparty fand vor 30 Jahren statt und war superblöd. Aber Robert hält eine Lobrede auf das Gastgeberpaar (beide 45) und reitet darauf rum, die Party sei ein "Society-Event", was er betont wie "Einladung bei Hofe". "Sag noch einmal Society-Event, und ich kotz auf meinen Glastisch", sage ich angewidert.

Eigentlich ist Wichsrobert nicht uncool, aber er ist ein schlimmes Groupie von jedem, der etwas darstellt oder Geld hat. In diesem Fall ist es das Geld, denn er schwärmt zum x-ten Mal von den überdimensionalen Reichtümern der Gastgeberin. "Ist doch egal, Mann. Wenn jemand uncool ist, wird er durch Geld nicht cooler", stöhne ich verzweifelt. Ich weiß natürlich, dass das nicht stimmt. Uncoole Leute steigen durch ihr Geld, vor allem wenn sie es in Champagner für ihre Hofschranzen investieren, sehr wohl in eine Liga auf, in der sie sonst nie gelandet wären. Aber nicht in meine Liga, da findet man sich aus anderen Gründen gut. Pyjama-Party-Gastgeber gehören jedenfalls nicht dazu. Außerdem haben in der Schweiz sowieso alle viel Geld. Es lohnt nicht, deswegen einen Knicks zu machen.

"Ey, Pyjamaparty geht nicht"

Wichsrobert faselt weiter von vergangenen rauschenden Festen bei den beiden, ihrem Haus im Engadin und seiner Freundschaft zum Hausherrn, einem Kunstfilmemacher.

"Ey, Pyjamaparty geht nicht", unterbreche ich ihn. Und er sagt: "Okay, ich ruf ihn an und frag ihn. Er findet dich cool, der lädt dich bestimmt ein." Und dann fragt er noch nach meiner 28-jährigen Modelfreundin Andi, er würde sie gern mal treffen, ob ich was arrangieren könne. Wir legen auf, damit jeder seinen Aufgaben nachgehen kann. Ich gehe in mein Ankleidezimmer, meine Schlafgarderobe inspizieren. Ich besitze zwei große Stapel verwaschener Jogginghosen und ein Negligé aus schwarzer Spitze von Agent Provocateur, aber keinen Pyjama. Dann stelle ich mir vor, wie ich mit den ganzen langweiligen Yuppies im Schlafanzug und in Hausschuhen, das Ganze ohne Drogen, in einer Wohnung zu schlechter Musik herumsitzen muss. 45-Jährige hören schlechte Musik, so viel weiß ich. Ich habe gerade beschlossen, am nächsten Tag einfach abzusagen, da ruft Robert wieder an. "Er hat dir gesagt, die Hütte ist leider schon voll", rufe ich lachend ins Telefon. "Woher weißt du das?" Wichsrobert ist völlig verwirrt. Der Gastgeber hat gesagt, es wären nur 16 Leute eingeladen, nur 16 Stühle da et cetera.

Robert schwadroniert noch ein bisschen, wie leid ihm das tue, und ich solle die geile Andi nicht vergessen, dann legt er auf.

Ich bin extrem genervt. In Deutschland ruft kein Mensch an und fragt, ob er ein Mädchen mitbringen darf. Das gibt es nur noch in der Schweiz, genau wie Pyjamapartys. Deshalb gehe ich hier auch nirgends mehr hin, denn es ist immer zum Sterben fad. Aber es scheint die Schweizer nicht zu stören, dass sie seit 30 Jahren mit sich selbst zusammensitzen. Auf meine Partys sind immer 120 Leute gekommen, wenn ich 60 eingeladen habe, und das war auch gut so. Und jetzt hat mich Wichsrobert total blamiert, weil der spackige Gastgeber denkt, ich hätte auch nur einen einzigen Fuß auf seine Pissparty gesetzt.

Ich werde immer saurer, erst auf Wichsrobert, dann auf mich, weil ich schon so gedrillt bin von der Schweizer Höflichkeit, dass ich mich nicht mehr traue, ein ehrliches "Schieb dir deine Pyjamaparty sonstwohin!" zu rufen. Stattdessen rufe ich bei der geilen Andi an, damit Wichsrobert merkt, dass mir alles egal ist. "Was machst du am Wochenende?", frag ich sie.

"Ich bin auf eine Pyjamaparty eingeladen, komm doch mit!" Ich schlucke eine große Portion Luft, dann erkläre ich ihr, dass sie da niemanden mitbringen darf, ich aber sowieso Partys, Pyjamas und auch sonst alles Mögliche hasse.

Andi bleibt gelassen: "Quatsch, ich darf mitbringen, wen ich will, hat der Gastgeber gesagt."

Ich rufe Robert an: "Du hast Glück. Andi ist morgen auch da."

Robert fängt an zu jammern, dass er mit seiner Freundin hingeht und deshalb Andi nicht angraben kann, und deswegen wollte er lieber mit uns beiden ... ich lege auf.

Meine Stimmung ist im Keller. Bevor das Telefon klingelte, war alles super. Jetzt ist mein Freund Robert ein Vollidiot, und Andi findet es normal, mit alten Säcken auf Pyjamapartys abzuhängen. Und zwei andere Idioten, die ich selbst doof finde, wollen mich nicht auf ihrer Party, bei der ich auch noch um Einlass gebeten habe.

Ich klappe mein iBook wieder auf und ändere meinen Status auf Facebook in "Wäis trägt nie einen Pyjama".

Dann beschließe ich, nie mehr ans Telefon zu gehen, wenn Wichsrobert anruft.

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