Energieberatung für Hartz-IV-Empfänger

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von Heinz-Roger Dohms

Die Bundesregierung gefällt sich als Vormund. Jüngstes Beispiel: Der Umweltminister will Hartz-IV-Empfänger zum Energieberater schicken.

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Würden Meinungsforscher die Politiker zu ihren Bürgern befragen - die Ergebnisse fielen vermutlich ähnlich desaströs aus wie im umgekehrten Fall. Nur mal grob geschätzt: "Die Bürger ernähren sich ungesund" - 76 Prozent Zustimmung in der politischen Klasse. "Die Bürger rauchen zu viel" - 68 Prozent Zustimmung. "Die Bürger tun zu wenig für die Umwelt" - 63 Prozent Zustimmung. Lediglich bei der Aussage "Dieser Bürger ist mir unbekannt" würde die Zustimmung wohl gen null tendieren. Schließlich kennen Politiker ihre Pappenheimer nur zu gut.

Trotz des Wissens um die vielen Schwächen der Deutschen neigen Politiker allerdings nicht zu Bürgerverdrossenheit. Stattdessen hat sich die Bundesregierung offensichtlich zum Ziel gesetzt, aus verzogenen Pappenheimern verantwortungsbewusste Bürger zu machen.

Das jüngste Beispiel lieferte am Donnerstag Umweltminister Sigmar Gabriel. Einen Vorschlag von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) aufgreifend, fordert der SPD-Politiker, den Kauf besonders energiesparender Kühlschränke mit bis zu 150 Euro staatlich zu fördern. Der entscheidende Unterschied zum Glos-Plan war allerdings nicht, dass Gabriel die Förderung auf Hartz-IV-Empfänger beschränken will. Sondern der Vorschlag, die Subvention an erzieherische Maßnahmen zu knüpfen. Der finanzielle Zuschuss nämlich, so heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums, sei "an eine individuelle aufsuchende Beratung durch einen Energieberater gekoppelt". Der Hintergrund: Nach Einschätzung Gabriels sind "gezielte Beratung und Hilfe für diese Bevölkerungsschichten dringend erforderlich".

Sigmar Gabriel setzt auf Erziehung
 Sigmar Gabriel setzt auf Erziehung

Der "Nationale Energieeffizienzplan", wie Gabriel sein Programm betitelt, erinnert nicht nur des Namens wegen an den 30 Mio. Euro schweren "Nationalen Aktionsplan Ernährung und Bewegung", den das Kabinett Ende Juni verabschiedete. Auch hier nahm die Politik vor allem sozial Schwächere ins Visier, beruhte die Initiative doch auf der im vergangenen Jahr erhobenen ersten bundesweiten Verzehrstudie. Diese war zu dem Resultat gekommen, dass es vor allem Arme sind, die dem Gewichtsideal der Bundesregierung - sie orientiert sich an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation - nicht entsprechen.

Nun ist der Grat zwischen Aufklärung und Bevormundung schmal. Maßnahmen, die Kritikern zu weit gehen, greifen aus Sicht von Befürwortern oft noch zu kurz. Generell scheinen die staatlichen Eingriffe ins Alltagsleben aber zuzunehmen - siehe Rauchverbot.

Selbst auf kommunaler Ebene langt die öffentliche Hand manchmal weiter als erlaubt. So kippte das Regierungspräsidium Gießen dieser Tage einen Beschluss des Stadtrats von Marburg. Die Politiker der hessischen Kreisstadt hatten Bauherren zwingen wollen, eine Solaranlage auf dem Hausdach zu installieren.

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Aus der FTD vom 18.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

 

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