Die Zentralbanken stemmen sich gegen die Kreditkrise - bisher vergeblich. Die Situation auf dem Geldmarkt bleibt angespannt. Zentral ist dabei der Libor-Satz, der auf einem Rekordhoch verharrt. Nun streiten Experten, wie sie ihn in den Griff bekommen können.
Den Begriff Libor kannten vor der Kreditkrise nur die Finanzmarktteilnehmer. Doch nach Bankenpleiten, Notverkäufen und konzertierten Zinssenkungen der Notenbanken ist der Londoner Interbankensatz auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Denn an dem Libor lässt sich ablesen, was sich momentan auch nach allen Rettungsaktionen nicht geändert hat: Die Banken misstrauen sich gegenseitig und horten Bargeld.
Täglich wird der Libor vom Londoner Bankenverband BBA festgelegt. Er ist für das gesamte Finanzsystem von zentraler Bedeutung: Wertpapierkontrakte mit einem Wert von 360.000 Mrd. $ richten sich nach ihm. Das entspricht 53.500 $ für jeden Menschen. Seine Anwendung ist vielfältig: Hypotheken in Großbritannien, Studentenkredite in den USA und Unternehmensverbindlichkeiten bestimmen sich danach.
Momentan ist das für die Weltwirtschaft schlecht, denn der Libor so hoch wie seit Jahren nicht mehr: Am Donnerstag kletterte der Satz für dreimonatige Dollarausleihungen um 23 Basispunkte auf 4,75 Prozent. Das ist der höchste Stand seit Dezember. "Wegen der großen Bedeutung des Libor ist das auch für die Realwirtschaft schlecht. Solange das so bleibt, werden auch Zinssenkungen bei den Unternehmen und Haushalten nicht ankommen", schreiben die Experten von Merrill Lynch in einem Researchbericht.
Die Zentralbanken versuchen seit Monaten, Geldmarktsätze wie den Libor in den Griff zu bekommen. Dazu senken sie die Leitzinsen, pumpen Liquidität in den Markt und bedienen sich neuen geldpolitischen Instrumenten wie beispielweise den von der amerikanischen Fed initiierten TAF-Auktionen - einem Tenderverfahren, bei dem sich Banken flexibler als zuvor Kredite von der Notenbank leihen können. Bisher allerdings blieb der Erfolg aus. Nicht nur der Libor verharrt auf hohen Niveaus, sondern auch Geldmarktsätze in Europa und Asien.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat eine Erklärung parat, warum die Spannungen immer noch so hoch sind: Nicht allein Liquiditätsrisiken, sondern auch die Risiken von Zahlungsausfälle hielten die Banken davor ab, sich untereinander Geld zu leihen. Im Finanzmarktstabilitätsbericht schreiben die IWF-Experten: "Es ist unwahrscheinlich, dass einfacher Zugang zu Notkrediten den Stress im Interbankensystem verringern wird. Die staatlichen Institutionen müssen sich vielmehr um das Kontrahentenrisiko kümmern. Denn die Marktteilnehmer scheitern zunehmend daran."
FTD.de, 09.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP
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