Out of Office

Hey, Big Lender!

von Ina Lockhart und Christine Mai (Frankfurt)

Applaus für Spitzenbanker hört man im Moment eher selten. Zumindest Josef Ackermann durfte sich beklatschen lassen: Die Deutsche Bank leiht dem Frankfurter Städel Museum große Kunstwerke.

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Nein, niemand kann rund um die Uhr Finanzkatastrophen abwenden. "Nach einem Wochenende, an dem ich bis morgens um 2 Uhr über die Rettung einer deutschen Bank verhandelt habe", sagt Josef Ackermann, "braucht man eine Stunde der Besinnung, in der man sich losgelöst von Subprime intelligent unterhalten kann". Gerade hat der Chef der Deutschen Bank höchstpersönlich dem Frankfurter Städel Museum ein 20-Mio.-Euro-Geschenk seines Instituts überreicht: 600 Kunstwerke aus der Sammlung seiner Bank ziehen nun in das Museum um. Wie schön, denkt man still. In Zeiten, in denen Banken wenig Kunstwerke vollbringen, verleihen sie wenigstens welche.

Am Wochenende noch hatte Ackermann die Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate am Telefon mit Angela Merkel ausgehandelt. Am Mittwoch nahm er sich zwei Stunden Zeit, um das gesellschaftliche Engagement seiner Bank - neudeutsch Corporate Social Responsibility genannt - publikumswirksam zu vermarkten.

Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann
 Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann

Unter den 600 Werken, die nun als Dauerleihgabe an das Museum gehen, befinden sich 60 Gemälde und Skulpturen, 161 Zeichnungen und 379 Druckgrafiken von 45 Künstlern. Georg Baselitz, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, Sigmar Polke und Gerhard Richter gehören zu den prominenten Vertretern der deutschen Kunst ab 1960, deren Gemälde und Skulpturen zusammen mit den anderen Leihgaben Ende 2010 oder Anfang 2011 im geplanten Städel-Erweiterungsbau gezeigt werden sollen.

Für Max Hollein, der in Personalunion Frankfurts drei Kunstmuseen Städel, Schirn und Liebieghaus führt, ist es bereits die zweite große Bescherung in diesem Jahr.

Gerhard Richters "Betty" gehört auch zur Sammlung der Deutschen Bank
 Gerhard Richters "Betty" gehört auch zur Sammlung der Deutschen Bank

Im März hatte die DZBank dem Museum 210 Arbeiten von 76 Künstlern aus ihrer angesehenen, 6000 Werke umfassenden Sammlung zeitgenössischer Fotokunst überlassen. Mit beiden Leihgaben wird das Städel in eine Museumsliga katapultiert, die sich international sehen lassen kann.

Dass die wertvollen Leihgaben plötzlich wieder von ihren Besitzern zurückverlangt werden, ist nicht zu befürchten. Das Städel hat sich vertraglich gegen diese bittere Erfahrung abgesichert, die einmal das Frankfurter Museum für Moderne Kunst machen musste. "Es ist gewährleistet, dass die Werke permanent diesem Haus erhalten bleiben", sagte Hollein. So schließe der Vertrag das Kündigungsrecht der Deutschen Bank aus, sagte Carl-Heinz Heuer, Vorsitzender des Städel-Kuratoriums. Zudem hat das Städel ein Vorkaufsrecht zu Sonderkonditionen, sollte der Vertrag dennoch beendet werden. "Dann hat das Städel das Recht, alle Leihgaben oder einzelne Werke zu einem Rabatt von 25 Prozent gegenüber Marktwert zu erwerben - zinsfrei zahlbar in 25 Jahresraten."

Der Deal steht für die Neuausrichtung der 53.000 Werke umfassenden Sammlung der Bank, die internationaler und jünger werden soll. Drei neue externe Berater - Udo Kittelmann für Europa, Nancy Spector für die USA und Okwui Enwezor für Afrika - sollen als Scouts die künftigen Stars des Kunstmarkts aufspüren.

Ein vierter Kurator für Asien werde noch gesucht, sagte Friedhelm Hütte, Leiter der Kunstsammlung. Trotz des Aufbruchs zu Neuem wird bei ihm sicher auch Trennungsschmerz aufkommen.

Josef Ackermann dürfte die Trennung dagegen leichter fallen. "Nein, bei mir im Büro wird kein Platz frei", antwortet er auf die Frage, ob durch die Dauerleihgabe bei ihm nun eine Wand im Büro blank bliebe. "Vielleicht habe ich damals einfach nicht das ausgesucht, was Herr Hollein heute für gut genug hält."

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Aus der FTD vom 02.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Getty Images, 2008 Gerhard Richter

 

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