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Blick ins Ausland

Die vernetzte Schule

von Daniel Kramb (Maidstone)

Mit Computern und dem Unterrichtsfach "emotionale Intelligenz" will eine Schule in England zum Vorzeigeprojekt werden. Die Klassenzimmer sehen aus wie Büros einer Werbeagentur, die Schüler verabreden sich via Facebook.

Im neuen Klassenzimmer sind Schuhe verboten. Schüler und Lehrer nennen den großen, hellen Raum Plaza. Im Mittelpunkt steht eine Tribüne. 15 Schüler haben es sich auf den Stufen bequem gemacht. Sie sitzen auf dicken Polstern und beugen sich über Laptops auf ihrem Schoß. Andere sitzen mit ihren Computern an Tischen, jeder arbeitet so, wie er sich wohlfühlt. "Diese Räume bilden das Herzstück unserer Schule", sagt Schulleiter Chris Gerry, der sich ebenfalls auf Socken bewegt. "Wir versuchen, hier eine Umgebung zu schaffen, die nichts mit einem herkömmlichen Klassenzimmer zu tun hat."

Gerry will die New Line Learning Academy komplett umkrempeln. Die staatliche Gesamtschule in Maidstone im südenglischen Kent soll zum "Prototyp einer innovativen Schule" werden.

Das fängt schon mit den Möbeln an: Bürostühle, Bildschirme und elektronische Tafeln in den Klassenzimmern erinnern eher an Büros in einer Werbeagentur. "Nur Schulen sehen aus wie Schulen", sagt Gerry. "Wir versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, die mit dem wirklichen Leben zu tun hat."

Der Staat lässt freue Hand

Veränderungen und neue Ideen waren in Maidstone bitter nötig. Die zwei Schulen, die im September 2007 zur New Line Learning Academy zusammengefasst wurden, dümpelten in nationalen Schulrankings seit Jahren in der Schlussgruppe. Die Gebäude bröckelten, die Einrichtung war veraltet. Die Nachbarschaft gilt als sozialer Brennpunkt: Nur wenige Bewohner gehen morgens zur Arbeit, auch die Heranwachsenden haben kaum Zukunftsperspektiven. Früher verließen etliche Jugendliche die Schule ohne Abschluss.

Das soll sich ändern - und es könnte durchaus klappen. Die Schüler sind inzwischen motivierter und schwänzen seltener. Ein Jahr nach ihrer Gründung gilt die New Line Learning Academy als eine der kreativsten Schulen des Landes. Lehrer und Rektoren reisen an, um sich die Verwandlung anzusehen.

"Wir haben den großen Vorteil, dass der Staat uns freie Hand lässt", sagt Gerry. Die Academy ist zwar eine staatliche Schule, operiert allerdings weitgehend unabhängig von der lokalen Bildungsbehörde. "Wir bestimmen über sämtliche Personalfragen, verfügen über das Gebäude und treffen souverän Entscheidungen zu Materialanschaffungen", berichtet Gerry. "Wir haben unseren eigenen Kopf und können ihn auch durchsetzen."

Auch bei der Stundenplangestaltung hat Gerry freie Hand. Sein Team legt viel Wert auf die Vermittlung sozialer Kompetenzen. "Das ist genauso wichtig wie Fachwissen", sagt Gerry. Deshalb muss jeder Schüler das Fach "emotionale Intelligenz" belegen, das zusammen mit der Yale University für die Schule entwickelt wurde.

Abbrecherquoten sind gesunken

"Wir müssen herausfinden, wer unsere Kunden sind, damit wir unser Produkt auf sie zuschneiden können", sagt Gerry. Seine Kunden schreiben SMS, E-Mails und verabreden sich auf der Plattform Facebook. Deswegen ist der Einsatz moderner Technologien Kern des neuen Konzepts.

 In der Grundschule von Maidstone kriegen alle Schüler einen Laptop.

Jeder Schüler bekommt einen Laptop gestellt. Über ein internes Netzwerk ist die ganze Schule miteinander verknüpft. Lehrer stellen ihre Unterrichtsmaterialien und Noten ins Intranet, Schüler kommentieren die Arbeiten ihrer Mitschüler und helfen sich gegenseitig. "Das Netzwerk orientiert sich an den gängigen Social-Networking-Seiten, ist aber auf unsere Schule zugeschnitten", sagt Lehrer Michael Watts.

Da viele Pädagogen sich bis vor Kurzem gar nicht mit Computern auskannten, holte sich Gerry Hilfe. Microsoft wurde Schulpartner und schickt seine Mitarbeiter nun regelmäßig als Berater ins Haus oder hilft bei der Entwicklung von Software.

Inzwischen sind alle Lehrer mit dem "Online-Virus" infiziert, sagt Gerry. Und bald wird es noch mehr "Plazas" mit Sofas und Computerecken geben. In zwei Jahren zieht die Academy um, in einen Neubau für 28 Mio. Euro. "2010 wird ein ganz wichtiges Jahr für uns", sagt Gerry. Denn 2010 steht nicht nur der Umzug an, auch die staatliche Bildungsbehörde kommt dann zum ersten Mal zur Inspektion. Dann wird sich zeigen, ob sich die Noten wirklich verbessert haben und Abbrecherquoten gesunken sind.