Leitartikel

Unfaire Kritik an Ackermann

Anstatt den Deutsche-Bank-Chef für seinen freiwilligen Verzicht auf Boni zu loben, fallen Politiker über ihn her. Damit betreiben sie gefährlichen Populismus.

ZUM THEMA

Man stelle sich einmal vor: Die Deutsche Bank stünde von allen deutschen Kreditinstituten in der Finanzkrise am miserabelsten da; würde sich weigern, anderen Banken in Not unter die Arme zu greifen; und dann striche ihr Chef Josef Ackermann auch noch einen millionenschweren Bonus ein. Die Empörung wäre grenzenlos.

Umso schwerer nachzuvollziehen ist der kollektive Wutanfall angesichts des tatsächlichen Szenarios: Die Deutsche Bank steht vergleichsweise solide da; zur Rettung der Hypo Real Estate hat sie mit 12 Mrd. Euro beigetragen - aber Ackermann und seine Kollegen verzichten dennoch freiwillig auf ihre Boni.

Und was passiert? SPD-Fraktionschef Peter Struck schimpft über diese "reine Schauveranstaltung", Grünen-Politikerin Renate Künast nennt es eine "ungeheure Chuzpe", überhaupt an Boni zu denken. Und Peter Sodann, Schauspieler und Bundespräsidentenkandidat der Linken, würde Ackermann am liebsten verhaften. Offenbar glaubt die Politik, die Schocks der vergangenen Wochen nur mithilfe eines Sündenbocks verdauen zu können - und wer eignet sich für die Rolle besser als Ackermann, dem viele noch immer die selbstherrliche Victory-Geste nach dem Mannesmann-Prozess verübeln? Dabei prangert man den Schweizer jetzt für einen Schritt an, den manch Politiker vermutlich selbst gefordert hätte - wäre Ackermann ihm nicht zuvorgekommen.

Dass dieser in der aktuellen Lage schlicht nicht gewinnen kann, ist nicht nur für ihn persönlich frustrierend. Es ist auch ein gefährliches Signal für die Gesellschaft. Nicht zu Unrecht wird dieser Tage wieder an die sozialen Folgen der Wirtschaftskrise der 20er-Jahre erinnert. Politiker, die eine drohende Polarisierung der Gesellschaft mit Populismus und Verteufelungen noch zusätzlich befeuern, sind Hasardeure.

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Aus der FTD vom 20.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland

 

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