Erstarrter Markt

Dossier Der plötzlich verschmähte deutsche Pfandbrief

von Yasmin Osman (Frankfurt)

Seit der Beinahepleite der Hypo Real Estate befindet sich der Markt für Pfandbriefe in einer Schockstarre. Das einstige Erfolgsprodukt steht vor einem beispiellosen Wandel.

Lange hat der deutsche Pfandbrief durchgehalten, lange das Image eines Krisengewinnlers verteidigt. Der Beinahekollaps des Immobilien- und Staatsfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) hat dieses Bild zerstört. Jetzt nagt die Krise am Mythos eines Produkts, das als wichtigster Exportschlager des deutschen Finanzmarkts gilt. Gefährdet ist das Image des Pfandbriefkonzepts - weil es so stark vom Kapitalmarkt abhängt. Der Pfandbrief wird sich ändern müssen. Nur dann kann er ein wichtiges Finanzinstrument für die Banken bleiben.

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Seit der Notrettung der Hypo Real Estate geht am Pfandbriefmarkt vorerst nichts mehr: Neuemissionen oder ein geregelter Handel sind zum Erliegen gekommen, die Risikoprämien haben sich deutlich erhöht - das gilt für quasi alle Pfandbriefhäuser. Der Schock, der seit der Beinahe-Pleite der Hypo Real Estate den Pfandbriefmarkt lähmt, ist von historischer Bedeutung: Seit 200 Jahren hat es in dem Produkt noch nie ein Zahlungsproblem gegeben. Allerdings ist in dieser Zeit auch nie ein Pfandbriefemittent in die Pleite gerutscht. Diesmal war es ziemlich knapp.

Probleme einzelner Pfandbriefbanken haben bisher nie den ganzen Markt gelähmt. "Diese Sippenhaft ist neu", sagt der Geschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (VdP) Louis Hagen. Dabei war es gar nicht das Pfandbriefgeschäft selbst, das die Hypo Real Estate in den Abgrund gerissen hat. Die irische Staatsfinanzierungstochter Depfa hatte für bestimmte Staatskredite keine Anschlussfinanzierungen erhalten.

Seit der Notrettung der Hypo Real Estate geht am Pfandbriefmarkt vorerst nichts mehr
 Seit der Notrettung der Hypo Real Estate geht am Pfandbriefmarkt vorerst nichts mehr

Dass nun dennoch der gesamte Pfandbriefmarkt getroffen ist, ist für den deutschen Finanzplatz ein harter Schlag. Kein anderes deutsches Finanzprodukt ist im Ausland so oft kopiert worden wie diese Bankanleihen, die zusätzlich mit Immobilien, Staatskrediten oder Schiffsfinanzierungen besichert sind. In 27 Ländern gibt es heute Spezialgesetze für solche Wertpapiere, das Volumen pfandbriefartiger Wertpapiere (Covered Bonds) belief sich Ende 2007 auf 1900 Mrd. Euro, schreibt die Ratingagentur Fitch. Die Hypo Real Estate ist der zweitgrößte Emittent am 889 Mrd. Euro großen deutschen Pfandbriefmarkt.

Als die Finanzkrise nach und nach einen Finanzierungskanal nach dem anderen verschüttete, blieb der Pfandbrief lange stabil. Umso tiefer sitzt nun der Schreck. "Wir reden hier vom am strengsten regulierten Anleihemarkt überhaupt, und er hat sich trotzdem nicht gegen die Krise abschotten können", sagt Florian Hillenbrand, Pfandbriefexperte von Unicredit. "Die Erkenntnis, dass man sich trotz Qualität und Regulierung gegen eine Krise von außen nicht schützen kann, das ist neu." Dresdner-Kleinwort-Analysten sprechen von der "ersten großen Niederlage des Pfandbriefs".

Zu den alten Glaubenssätzen der Branche, die nun hinterfragt werden, gehört zum Beispiel dieser: Mit Pfandbriefen können sich Banken praktisch jederzeit und günstig finanzieren. Das ist widerlegt: Die Finanzierung über Pfandbriefe hat sich zwar nicht so dramatisch verteuert wie andere Bankanleihen. Doch schon der Anstieg um rund 0,7 Prozentpunkte reicht aus, um das margenschwache Geschäft reiner Staatsfinanzierungsbanken zu gefährden. Das hatte die Platzierung von Pfandbriefen schon vor der Hypo-Real-Estate-Krise für einige Banken sehr erschwert.

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Aus der FTD vom 20.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa

 

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