Erst bei der Parkplatzsuche lernt man ein Auto richtig kennen. Wir stellen jede Woche einen neuen Wagen ab. Diesmal: den VW Golf TSI.
Erst bei der Parkplatzsuche lernt man ein Auto richtig kennen. Wir stellen jede Woche einen neuen Wagen ab. Als das Dach des VW-Pavillons zu klappern beginnt, hätte man sich denken können: Etwas stimmt hier nicht. Als der Regen sich mit Graupel zu Geschossen mischt, die der Sturm einem ins Gesicht peitscht, wird klar: Dieses Land kann dein Feind sein. Aber dass Island wenige Tage später die Vermögen von ein paar Tausend Sparern verschlingt, hatten wir dieser Insel trotzdem nicht zugetraut.
Jedenfalls nicht, während wir mit dem neuen Golf über eine dieser elegant geschwungenen Bogenstraßen fahren, die irgendein Ästhet in diese menschentleerte Vulkanwüste geschüttet hat. Denn der Golf hat eine neue Scheibe, und deren Glas lässt noch die brüllendste Orkanböe flüstern. Dann liegt Island hinter diesem Wunderglas wie der Terrariumentwurf eines radikalen Melancholikers: spektakulär und wahnsinnig trist zugleich.
Auch der Radkasten der sechsten Golf-Generation kann etwas ab. Der kürzeste Weg zur weltberühmten Blauen Lagune, hat das Navi erkannt, führt über eine Schotterpiste, die in Deutschland selbst für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge gesperrt wäre. Schon bei 40 Stundenkilometern hat man weinende VW-Lackierer vor Augen. Der Anblick der moosbewachsenen Lavafelder, die sich links und rechts der Piste dehnen, kann das Gemüt nicht beruhigen. Kein Haus, kein Mensch, kein Tier hält hier den Blick - da ist nur schwarzes Geröll, an das sich eine dünne Schicht Grün krallt. Also zurück in die Zivilisation. Zurück nach Reykjavik!
Doch auch Islands Hauptstadt ist kein besserer Ort für einen Golf. Trotz der kantigeren Front, die ihn maskuliner wirken lässt, trotz seiner großzügigen Standardausstattung mit viel Leder und Elektronik wirkt der Inbegriff des deutschen Mittelklassewagens neben den mannshohen Rädern der isländischen Big-Foot-SUV-Monstren wie ein zerbrechliches Spielzeug.
Zudem scheint an diesem grauen Samstagvormittag die Finanzkrise schon voll durchzuschlagen. Reykjaviks Haupteinkaufsstraße, der Laugavegur, ist nahezu ausgestorben. Jedenfalls gibt es mehr freie Parkplätze als Einkäufer. In einer Disziplin wie Einparken lässt sich hier nicht mal das Seepferdchen absolvieren.
Wo um diese Zeit viel los sei, fragen wir gegen 11 Uhr einen der wenigen Einheimischen? Der grübelt kurz, strahlt dann und sagt: "Bæjarins beztu pylsur", der beste Hotdogstand der Stadt, an dem schon Bill Clinton und Metallica warme Wurst im Brötchen vertilgten. Der liegt unten am Hafen, und tatsächlich ist vor diesem tristen Hüttchen kein Parkplatz zu bekommen. Jedenfalls solange die beiden Fahrer auf ihre trockenzwiebelbesprenkelte Fleischrolle warten. Gelohnt hat sich das Anstehen dann nicht. Hotdog bleibt Hotdog, aber in einem Land am finanziellen Abgrund ist eine warme Mahlzeit für umgerechnet 1,78 Euro Grund genug zu warten.Gregor Kessler
Selbst Rangieren |
Länge 4,19 Meter, Breite 2,04 Meter, 122 PS, CO2-Ausstoß 144 g/km, Preis 21.925 Euro, www.volkswagen.de |
FTD.de, 20.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD
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