Der Ruf nach einer neuen Finanzarchitektur wird lauter. Dabei sollte man es mit dem Umbau nicht übertreiben.
Es weht der Atem der Geschichte. Trommelwirbel. Sämtliche Chefs, die die Weltgeschicke bestimmen, vom britischen Premier, den Präsidenten Frankreichs, der USA und der EU-Kommission bis zum deutschen Bundespräsidenten und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, sie alle wünschen sich einen Weltfinanzgipfel. Der Name steht auch schon fest: Bretton Woods II. Tusch.
Nachdem also die Regierungen jenseits und diesseits des Atlantiks eilig das halbe Finanzsystem verstaatlicht haben, wird über dessen Zukunft nachgedacht. Das Vorbild könnte imposanter nicht sein: Die Bretton-Woods-Konferenz von 1944, die von solch herausragenden Denkern wie dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes geprägt wurde.
Solch ein Vorhaben weckt Hoffnung und Argwohn zugleich. Hoffnung, weil globale Probleme wie die Finanzmarktkrise, der Treibhauseffekt oder die Armut in großen Teilen der Welt auch eine globale Antwort erfordern. Hier würde von einem erfolgreichen Finanzgipfel nach all den qualvollen Reanimationsversuchen der Doha-Welthandelsrunde und den mickrigen Fortschritten beim Klimaschutz endlich ein positives Signal ausgehen. Argwohn, weil allzu hohe Erwartungen und übertriebener Darstellungsdrang einiger schlechter Keynes-Imitatoren die Chance zunichtemachen könnten. Mit anderen Worten: Ein Finanzgipfel ist sinnvoll. Aber bitte ohne zu viel Pathos.
Es verwundert nicht, dass immer dann, wenn Gefahr im Verzug ist, das gute alte Bretton Woods heraufbeschworen wird. Die Konferenz in der idyllischen Gegend der White Mountains im US-Bundesstaat New Hampshire ist Symbol einer historisch fast einzigartigen Errungenschaft: Es gelang vielen Ländern, sich auf eine gemeinsame Finanzarchitektur zu einigen - den Goldstandard, ein System fester Wechselkurse - und mit der Weltbank und dem IWF supranationale Institutionen zu schaffen.
Die schlechte Nachricht lautet nun: Wiederholbar ist das Ganze nicht. Dazu fehlen heute zwei Grundvoraussetzungen. Ein dominierendes Interesse aller Länder und - viel wichtiger noch - eine dominierende Deutung der Krise.
Was ist denn nun die Ursache für den Immobiliencrash, für eingefrorene Interbankenmärkte und die beispiellose Pleitenserie? Theorien gibt es so viele wie Experten. Ein Ansatz lautet: Schuld ist laxe Regulierung. Kann sein, muss aber nicht sein. Den amerikanischen Hypothekenmarkt mit den Finanzierungsgiganten Fannie Mae und Freddie Mac kann man als ineffizient und überdimensioniert bezeichnen. Nur eines ist er nicht: Lax reguliert. Eine eigens geschaffene Behörde kümmerte sich um die Überwachung von Fannie und Freddie, eine weitere um die zahlreichen Bausparkassen, darunter auch die Washington Mutual. An Aufsehern hat es folglich nicht gemangelt.
Aus der FTD vom 21.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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