Venezuelas allmächtiger Präsident Hugo Chávez bekommt Konkurrenz. Seine frühere Ehefrau strebt eine Karriere in der Politik an - und wettert nun schonungslos gegen ihre alte Liebe.
"Marisabel Rodríguez, Du zählst auf mich, zusammen schaffen wir es!", schallt es aus den Lautsprechertürmen auf dem Pick-up. Immer wieder spielt dieselbe Melodie. Lieder wie dieses lassen sich zurzeit viele venezolanische Politiker für den Wahlkampf auf den Leib schreiben. Am 23. November stimmen die Bewohner des seit zehn Jahren von dem Linkspopulisten Hugo Chávez regierten Andenstaates über neue Bürgermeister und Gouverneure ab. Die zersplitterte Opposition hat es immerhin geschafft, in den meisten der 23 Bundesstaaten Einheitskandidaten aufzustellen.
Marisabel Rodríguez kandidiert für das Bürgermeisteramt von Barquisimeto, einer aufstrebenden Industriestadt, 350 Kilometer westlich der Hauptstadt Caracas. Sie ist nicht irgendeine Lokalpolitikerin. Es gab Zeiten, da vertrat die 43-Jährige Venezuela auf internationalem Parkett: Die einstige Journalistin war von 1997 bis 2004 mit Chávez verheiratet. Dessen sozialistische Massenpartei PSUV ist unangefochten die stärkste politische Kraft im Land.
Während eines Staatsstreichs im April 2002 rettete Rodríguez dem Präsidenten vermutlich sogar das Leben. Damals gab sie über CNN bekannt, dass ihr von Putschisten entführter Mann nicht abgedankt habe. Als sich die Nachricht verbreitete, schlossen Chávez' Anhänger die Rädelsführer im Präsidentenpalast Miraflores ein und zwangen sie zur Aufgabe.
In den folgenden Jahren konnte der selbst ernannte Revolutionsführer seine Machtbasis kräftig ausbauen. Parlament, Oberstes Gericht und Armeeführung sind mit seinen Vertrauten besetzt.
Privat war Chávez dagegen weniger erfolgreich. Nur drei Monate nach dem Putschversuch trennte sich Rodríguez von ihm und zog von Caracas in ihre Heimatstadt Barquisimeto. Die gemeinsame Tochter und ihren Sohn aus erster Ehe nahm sie mit. "Es war meine Form des Protestes", sagt sie.
Der von Chávez versprochene gesellschaftliche Umbruch sei "in Worthülsen und Klischees" verpufft. Dem Präsidenten gehe es in erster Linie um die Macht. "Ich habe seine Bewegung am Anfang unterstützt, weil ich für Rechte wie das auf Gesundheit, auf Arbeit, auf Bildung und Meinungsfreiheit kämpfen wollte", erzählt die ehemalige Primera Dama. "Im Laufe der Jahre kam ich zu dem Schluss, dass die Regierung diesen Prinzipien keine Priorität einräumt. Ich merkte, dass ich meine Zeit verschwende."
Die Weggefährtin von einst hat sich in eine lautstarke Kritikerin gewandelt. Die wichtigsten Oppositionsparteien des Landes, Podemos und Un Nuevo Tiempo, haben ihr politisches Potenzial erkannt und unterstützen ihre Kandidatur. In den Umfragen liegt sie knapp vorn.
Aus der FTD vom 14.10.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
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