"Kris was going for a poet, a songwriter he would be":
Johnny Cash hatte in einem Gedicht für das Debütwerk von Kris Kristofferson den Lebensweg vorgegeben, doch die Zeiten ändern sich und die Sicht der Dinge mit ihnen. Kristofferson schaffte
mittlerweile eine durchaus anständige Karriere als Schauspieler, die mit einem Golden Globe und einer Oscar-Nominierung gewürdigt wurden, und in der immer einfallsloser werdenden Country-Szene wird er zunehmend als Poet des Country wiederentdeckt.
Mit dieser Rolle ist der Mann aus Brownsville/Texas alles andere als glücklich. Schon in seinem mittlerweile legendären Song "The Pilgrim · Chapter 33" · eine Ode an die 33jährigen · machte er sich über seinen Status lustig: "He's a poet, he's a picker / he's a prophet, he's a pusher / he's a pilgrim and a preacher and a problem when he's stoned".
Ein Problem war Kristofferson auch in den letzten Jahrzehnten für manche Plattenfirma. Sein Eintreten gegen die US-Einmischung in Mittelamerika, seine Befürwortung der Sandinisten, die sich auch im Song "Sandinista" niederschlug, ließ Kristofferson letztendlich ohne Plattenvertrag zurück. Niemand wollte sich in der als konservativ bekannten Country-Szene mit so einem Mann die Finger
verbrennen. Mittlerweile ist Kristofferson nach den harten 80-er und 90-ern wieder bei einer großen Plattenfirma gelandet und sieht die Problematik eher nüchtern: "Mit dem Publikum gab es nie ein
Problem".
Als Schauspieler konnte Kristofferson jüngst mit "Lone Star" von John Sayles und "A Soldier's Daughter Never Cries" von James Ivory wieder Erfolge feiern, nun scheint er auch als Songwriter mit der kürzlich erschienenen CD "The Austin Sessions" ein Comeback zu schaffen. Der Texaner, der seit etlichen Jahren auf Hawaii lebt, kam eher zufällig zu dieser Produktion. Eine kanadische Firma wollte in einer Anthologie-Reihe eine Platte mit Neu-Aufnahmen von Kristofferson-Klassikern veröffentlichen, doch dieses Projekt platzte und stattdessen fand Atlantic Gefallen an den "Sessions".
Kristofferson wurde stimmlich von Prominenten wie Country-Rebell Steve Earle, Marc Cohn ("Walkin' In Memphis"), Dire Straits-Kopf Mark Knopfler, Country-Star Vince Gill und Songwriter-Urgestein Jackson Browne unterstützt. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen: Im Mittelpunkt steht weiterhin der "silberzüngige Teufel" (wie er im Song "The Silver Tongued Devil And I" sein alter ego
nannte), die Gäste beschränken sich zum Großteil auf stimmigen Hintergrundsgesang, und wenn es zum tatsächlichen Duett kommt, driften sie ziemlich in Kristoffersons Tonlage ab.
Hörenswert sind die "Austin Sessions" vor allem wegen der zum Teil gegenüber den Originalen doch sehr unterschiedlichen Interpretationen. Besonders geglückt sind die kantig-rohe "To The Bone"-Fassung von "Me And Bobby McGee" und die noch gefühlvollere Ballade "Lovin' Her Was Easier".
Freitag, 12. November 1999