Folgen der Krise

Lagerabbau beschleunigt Abschwung

von Richard Milne (London)

Quer durch alle Branchen bauen Unternehmen vor Jahresende massiv Lagerbestände ab, anstatt neue Ware zu bestellen. Nach Informationen der Financial Times zieht sich der Effekt durch alle Stufen der Wertschöpfungskette.

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Der Lagerabbau führt in vielen Bereichen zu so großen Umsatzeinbrüchen, dass einige Unternehmen in die Insolvenz getrieben werden könnten. Chemieunternehmen, Stahlhersteller, Autobauer, Baukonzerne, Einzelhändler und Konsumgüterhersteller klagen allesamt darüber, dass sowohl Kunden als auch Zulieferer ihre Bestellungen drastisch zurückfahren.

Angesichts einer einbrechenden Nachfrage wollen viele Unternehmen ihre Bestände ausdünnen. Zusätzlich verstärkt wird der Lagerabbau durch die kontinuierlich fallenden Rohstoffpreise. Die Unternehmen warten bei Gütern, die immer billiger werden, so lange wie möglich mit Nachbestellungen, um maximal vom Preisverfall zu profitieren.

Feike Sijbesma, der Chef des niederländischen Chemiekonzerns DSM, sagte, der massive Lagerabbau führe entlang der gesamten Lieferkette zu Störungen. "Einige kleinere Unternehmen gehen möglicherweise unter", sagte er. Tom Crotty, der Chef des britischen Chemieunternehmens Ineos, sieht dies ähnlich: "Das Ausmaß des Lagerabbaus ist beispiellos. So etwas haben wir noch nie erlebt." Der Chef eines der weltgrößten Paketdienstleister sagt: "Ich glaube, manche Unternehmen sind verängstigt und sagen sich, ,Ich fahre meine Lager einfach auf null runter, wenn ich dann irgendwas nicht liefern kann, muss ich sehen, wie ich klarkomme‘."

Im Abwärtssog

Abwärtsspirale Experten befürchten, dass Lagerräumungen zu einer Abwärtsspirale führen: Wenn ganze Branchen mit Bestellungen warten, bis die Rohstoffpreise immer noch weiter sinken, sinken sie tatsächlich und treiben schwächere Unternehmen in die Insolvenz.

Pleitenwelle Schon jetzt wird mit einer rapide steigenden Anzahl von Unternehmensinsolvenzen gerechnet. Die Frankfurter Investmentgesellschaft Oaktree rechnet für 2009 mit 35.000, gut 5000 mehr als 2008.

Startprobleme Das drastische Reduzieren von Lagerbeständen mag kurzfristige Vorteile haben, birgt aber mittelfristig Risiken. Steigt die Nachfrage, kann nicht schnell genug darauf reagiert werden.

Zum Teil sind auch buchhalterische Gründe dafür verantwortlich, dass die Unternehmen ihre Lager leer räumen wollen. Wer auf Beständen sitzt, deren Verkaufspreis unter den Einkaufspreis gefallen ist, muss den Wertverlust abschreiben. Einige europäische Branchenexperten vermuten, dass Wertberichtigungen in Milliardenhöhe fällig werden könnten. Andrew Vials von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sagte: "Dieser Bereich steht zweifellos im Mittelpunkt. Immer, wenn Sie Bestände erworben haben und der Verkaufspreis sinkt, müssen Sie unter Umständen Abschreibungen vornehmen."

Einen weiteren Grund für sinkende Lagerbestände sieht Tim Lawrence von PA Consulting im Versuch der Unternehmen, zum Jahresende ihre Barmittel zu erhöhen. "Zum Ende dieses Jahres sind alle deutlich aggressiver als sonst."

Empfindliche Lieferkette

Die globale Lieferkette war nie so wichtig wie heute, aber gleichzeitig war sie auch nie so empfindlich. "Einige unserer größten Sorgen und Herausforderungen liegen in der Lieferkette", sagt ein hochrangiger Manager bei Siemens, wo erst kürzlich ein eigener Vorstandsposten für den Bereich Lieferkette eingerichtet wurde.

Charles Tilley vom britischen Chartered Institute of Management Accountants sagte, im aktuellen Konjunkturabschwung stehe die Reduzierung der Lagerbestände ganz oben auf den Maßnahmenlisten der Unternehmen. "Natürlich will man so wenig Bestände wie möglich haben", so Tilley.

Vom weltgrößten Stahlhersteller ArcelorMittal bis hin zum finnischen Handyhersteller Nokia klagen die verschiedensten Unternehmen über die Folgen, die sich durch den Lagerabbau ergeben. John Mullen, Chef des Paketzustellers DHL, sagte, sein Unternehmen spüre die Auswirkungen in ganz Asien, und bezeichnete das Problem als beunruhigend. "Einige Unternehmen sind wie versteinert", so Mullen.

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The Financial Times, 14.12.2008
© 2008 The Financial Times

 

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