Materialforschung

Perlmutt-Härte aus dem Labor

von Caroline Ring

Ein Material, das leicht, fest und stark belastbar ist: Die Evolution hat es schon viele Male hervorgebracht. Doch der Nachbau im Labor gestaltet sich kompliziert. Forschern ist es jetzt gelungen, Perlmutt so gut wie nie zuvor nachzubilden.

ZUM THEMA

Die Festigkeit von Zahnschmelz und die Biegsamkeit von Knochen - wenn es um das Nachbilden von naturgeschaffenen Materialien geht, stehen Werkstoffwissenschaftler oft vor einem Rätsel. Nicht nur die mikroskopische Struktur der biologischen Vorbilder will verstanden sein - auch ihre mechanischen Eigenschaften wie Härte, Bruchfestigkeit oder Elastizität sollen von den synthetischen Nachahmern erreicht werden.

Um die zu erlangen, bedient sich Mutter Natur vieler Tricks: So lässt sie aus festen, aber spröden Materialien und nachgiebigen, weichen Stoffen Hybridmaterialien entstehen, die um ein Vielfaches fester und bruchsicherer sind als ihre ursprünglichen Komponenten.

Robert Ritchie (Mitte) mit seinem Team vom Lawrence Berkeley National Laboratory
 Robert Ritchie (Mitte) mit seinem Team vom Lawrence Berkeley National Laboratory

Forschern um Robert Ritchie vom Lawrence Berkeley National Laboratory, Kalifornien, ist es gelungen, ein solches Material auf einfache Weise nachzubilden. Das schreiben sie in der Zeitschrift "Science". Ihr Vorbild: Perlmutt. Es besteht zum größten Teil aus Aragonitplättchen, einem festen aber brüchigen Calciumcarbonat. Bestünde eine Muschelschale nur aus Aragonit, würde sie schnell brechen. Jede Belastung auf das Gehäuse lässt dort wachsende Mikrorisse entstehen, die es früher oder später sprengen würden.

Diese Gefahr wird jedoch von einer weiteren Komponente im Perlmutt begrenzt: einem organischen Material, das wie Mörtel die Aragonitplättchen zusammenhält. Wird eine Belastung auf die Muschel ausgeübt, dann entstehen auch diesmal Mikrorisse - doch wird ihr Wachsen verhindert. Wie ein Schmiermittel macht der organische Perlmuttbestandteil die Plättchen beweglich und lässt sie so aneinander vorbei gleiten. Dadurch wird der Mikroriss vor weiteren Spannungen abgeschirmt. Eine Belastung, welche die Muschelschale nun zum Brechen bringen soll, muss weitaus größer sein.

Leichter und fester als vergleichbare Materialien

Wie Ziegelsteine, die von Mörtel zusammengehalten werden, ist das Gefüge von Aluminiumoxid und PMMA aufgebaut
 Wie Ziegelsteine, die von Mörtel zusammengehalten werden, ist das Gefüge von Aluminiumoxid und PMMA aufgebaut

Dieses Prinzip haben sich die Forscher zu Nutze gemacht. Aus festem Aluminiumoxid (Al2O3) und weichem Polymethyl-Methacrylat (PMMA) schufen sie eine Hybridverbindung, die es in ihrer Festigkeit mit der von technisch verwendetem Aluminium aufnehmen kann. Schon zuvor war es gelungen, die Perlmutt-Konstruktion anzuwenden - jedoch nur bei der Herstellung von dünnen Filmen.

Eine Methode zur Herstellung von dickeren Materialien, die auf diesem Prinzip beruhen, konnten Ritchie und sein Team entwickeln. Sie schufen Formen aus Eis, in die sie das keramische Al2O3 gaben. Nach dem Tauen des Eises füllten sie die entstandenen Lücken mit PMMA und erhielten einen Verbund, der 300-mal fester ist als seine Ausgangsstoffe. "Wir haben eine Keramik hergestellt, die weitaus leichter und gleichzeitig fester ist, als alle bisher verfügbaren", sagte Ritchie.

Video: Die Forscher aus Kalifornien erklären ihr Vorgehen (englisch)

"Die Anwendungsgebiete eines solchen Materials sind außerordentlich weitreichend In der Luftfahrt könnten sie zum Beispiel verwendet werden." Doch wann solche Materialien industriell hergestellt werden könnten, ist bisher nicht absehbar: "Materialien, die heutzutage in Flugzeugen verbaut werden, wurden in den vierziger Jahren entwickelt", so Ritchie.

Auch durch die Rauheit der Oberfläche des Aluminiumoxid-PMMA-Hybrids wird dessen Stärke gewährleistet
 Auch durch die Rauheit der Oberfläche des Aluminiumoxid-PMMA-Hybrids wird dessen Stärke gewährleistet

Bis dahin wollen die Forscher ihr neu entwickeltes Material weiter verfeinern. Der Anteil der festen Komponente Al2O3 soll erhöht werden. Bisher beträgt er 85 Prozent - relativ wenig gegenüber den 95 Prozent Aragonit beim Perlmutt. Eine weitere Möglichkeit die Festigkeit zu erhöhen wäre, das PMMA durch ein Metall zu ersetzen. Hier käme Aluminium in Frage - auch diese Mischung soll analysiert werden.

Google Tausendreporter Furl YiGG Mister Wong del.icio.us Webnews

Bookmarken bei ...

 

FTD.de, 10.12.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Lawrence Berkeley National Laboratory

 

 FTD-Services 

 Nachrichten 

Quiz

Testen Sie Ihr Wissen im 26. Teil der Serie von FTD-Online und wissen.de. mehr

Schwefelwasserstoff in der See

Forscher stellten fest, dass giftiger Schwefelwasserstoff von Mikroorganismen in Schach gehalten werden. mehr

Fortschritt bei Chemotherapie

Forscher entdeckten in bestimmten Krebszellen einen Angriffspunkt, der Chemotherapie effektiver macht. mehr

Stammzellforschung

Münchner Ärzte züchteten eine mitwachsende Herzklappe aus Stammzellen. mehr

Entwicklungsprobleme

Die Weltraumbehörde verschiebt die nächste Mars-Mission um zwei Jahre. mehr

Pünktlich zu Weihnachten

Spekulatius enthalten in diesem Jahr deutlich weniger der krebsfördernden Substanz als in den Vorjahren. mehr

Neue Generation von Computerchips

Ein Supraleiter aus Metalloxiden, der sich schalten lässt, könnte die Basis für neuartige Computerchips sein. mehr

Gesundheitsrisiko im Job

Flugpersonal und bestimmte Schichtarbeiter haben ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. mehr

Schlaganfall-Therapie

Ein Beutel Stammzellen soll Schlaganfall-Patienten zukünftig bessere Heilungs-Chancen bieten. mehr

Schauspiel am Himmel

Beteiligt an der seltenen Konstellation ist außerdem der Jupiter. mehr

Aidsforschung

Laut einer Studie der WHO könnten 95 Prozent der HIV-Neuinfektionen verhindert werden. mehr

Videos auf Youtube

Nicht nur Namen sind tanzbar - auch wissenschaftliche Arbeiten lassen sich mit einem Tango darstellen. mehr

Mehr News aus Forschung

Forschung als