Der Proteststurm der Kunden gegen SAP zeigt nur die Oberfläche. Die Verärgerung der Mittelständler wurzelt viel tiefer. Sie werfen dem einst geschätzten Partner vor, seine Grundsätze verraten zu haben.
Johannes Truttmann verzichtet jetzt mal auf diplomatische Formulierungen. "SAP ist nicht mehr sexy", sagt der IT-Chef der Krombacher Brauerei. Früher, da habe es echte Partnerschaft gegeben. Da habe SAP zugehört, und die IT-Verantwortlichen in den Firmen hätten alles getan, um die Programme in den Firmen optimal zum Laufen zu bringen: "SAP - das war auch unsere Leistung, das waren unsere Wochenenden. Wir waren stolz darauf."
Viel ist von der Gemeinsamkeit nicht übrig, wenn man dem guten Dutzend von Truttmanns Kollegen zuhört, die dicht gedrängt auf dem Podium bei der Pressekonferenz in einem Düsseldorfer Hotel sitzen. Sie fühlen sich vernachlässigt und missachtet von ihrem mächtigen Lieferanten. Denn von der Software, die in den Betrieben lebenswichtige Funktionen von Buchhaltung bis Personalwesen steuert, kommen sie so leicht nicht mehr los.
Der Frust kann gefährlich werden für SAP. Die Datenprofis der Anwenderfirmen sind dabei, die Regel "einmal SAP, immer SAP" zu unterlaufen. "Bei neuen Produkten gibt es auf jeden Fall Alternativen", sagt etwa Werner Schwarz, IT-Chef des Mineralwasserabfüllers Gerolsteiner. "In Randbereichen haben wir SAP schon abgeschafft", assistiert ein Kollege.
Der Ärger kulminierte zuletzt in Formfragen. Dass der Co-Chef von SAP, Léo Apotheker, ihren Beschwerdebrief bis heute nicht beantwortet hat, nehmen die IT-Verantwortlichen ihm besonders übel. Die Rebellengruppe repräsentiert nach eigenen Angaben schließlich über 100 kleinere und große Firmen, darunter große Namen wie Miele, Villeroy & Boch, Bitburger oder Bahlsen.
Kursinformationen + Charts
24,65 EUR | -1,77 % | [-0,45] |
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SAP AG INHABER.. | 24,65 EUR | -1,77 % |
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VILLEROY & BOC.. | 4,49 EUR | 1,35 % |
SAP gibt zu, "Fehler in der Kommunikation" gemacht und die Sprengkraft der Vertragsänderungen, auf denen die höheren Gebühren beruhen, unterschätzt zu haben. Schließlich gebe es dafür besseren Service. "Wir haben das eher als Formalie betrachtet", sagte eine Sprecherin.
"Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat", hält Schwarz dagegen. Schon seit Jahren habe SAP die brillanten Ideen der Gründer - integrierte, einfache Softwarelösungen, maßgeschneidert für die Kunden - vernachlässigt. "SAP hat seine Prinzipien über Bord geworfen", sagt Michael Kranz vom Maschinenbauer Krones. Am klarsten zeige das die anschwellende Preisliste: 218 Seiten dick sei die Version 2008. Vor sechs Jahren reichten noch 70. Trotzdem lasse der früher viel gerühmte Support zu wünschen übrig: Von 320 SAP-Problemen im vergangenen Jahr habe Gerolsteiner 300 selbst gelöst, ärgert sich Schwarz. Kollegen berichten von Sprachproblemen - nicht jeder deutsche IT-Fachmann komme mit seinem indischen Betreuer zurecht. "Wie kann ich dem die degressive Abschreibung bei der deutschen Steuer erklären?", grübelt ein IT-Chef. Auch diese Servicefragen erlebt der viertgrößte Softwarekonzern wie in einer anderen Welt: "Es gab Fälle, da sind unsere Supportteams mit dem Helikopter eingeflogen worden", sagte die SAP-Sprecherin. "Dabei lag der Fehler gar nicht an uns."
Die deutschen IT-Chefs fühlen sich trotzdem verladen. Sie hätten die Entscheidung für SAP bei ihren Arbeitgebern durchsetzen müssen und trügen nun die Verantwortung dafür, dass die Software "bis in die Haarspitzen der Unternehmen implementiert wurde", so Schwarz. Schon deshalb wolle man gute Partnerschaft. "Aber das geht nur mit den Kunden, nicht gegen sie."
Kursinformationen
Name | Aktuell | % | abs. | ||
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SAP AG INHABER-AKTIE.. | 24,65 EUR | -1,77 % | -0,45 | ||
VILLEROY & BOCH AG I.. | 4,49 EUR | 1,35 % | 0,06 |
Aus der FTD vom 11.12.2008
© 2008 Financial Times Deutschland
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