Der erste Kuss, die ersten Zinsen - für alles gibt es ein erstes Mal, und es ist meistens mit ein wenig Herzklopfen verbunden. Unser erstes Mal heute: Im Kletterwald
An sich ist eine ausgeprägte Vorstellungskraft eine tolle Sache. Während langweiliger Mathestunden half sie mir, mich aus dem Fenster zu träumen, und auch für meinen Beruf ist sie von Vorteil. Allerdings führt eine "blühende Fantasie", wie Leute ohne diese Eigenschaft das immer etwas tadelnd nennen, auch dazu, dass ich mir zum Beispiel keine Horrorfilme anschauen kann; zu gut malt sich mein Hirn später aus, wie der Typ mit der Axt vor meiner Haustür steht. Und stehe ich auf einer Klippe, tauchen in meinem Kopf sofort zahllose Varianten meines zerschmetterten dort unten liegenden Körpers auf.
Leider ist nicht nur meine Fantasie leicht zu stimulieren, ich bin auch noch leicht zu überreden. Meinem Freund Niko ist es deshalb schon gelungen, mich zu überreden, in eine höllische Achterbahn mit Looping und Drehung um die eigene Achse einzusteigen. Und jetzt lasse ich mir von Nadja erklären, wie man zwei Karabiner an einem Stahlseil einklinkt, um im Fall des Falles nicht mehrere Meter tief zu stürzen. Niko fand es nämlich eine lustige Idee, einen Sonntagnachmittagausflug in den Kletterwald nach Brühl zu machen.
Man kraxelt dort zwischen hohen Bäumen umher. Sehr hohen Bäumen. Die mächtigen Kiefern über meinem Kopf schwanken im Herbstwind, während unsere Instruktorin Nadja gerade darlegt, dass man einen Parcours in 4, 8 und 16 Metern Höhe wählen kann. Dummerweise führen alle Parcours durch genau diese Kiefern. Ich finde also, ich kann durchaus nachfragen, ob die Karabinerhaken denn wirklich sicher sind. Ich finde auch, dass ich diese Frage dreimal stellen kann. Nadja findet das nicht und erzählt leicht genervt was von einem "gewissen Grundvertrauen", das ich schon haben müsse. Schließlich würde ich ja auch in ein Auto steigen. Keine Frage. Nur fährt ein Auto nicht in Haushöhe durch Baumkronen.
Das Praktische an Konfrontationstherapien ist, dass sie fast immer funktionieren. Man kann einfach unmöglich die ganze Zeit kreischen, wenn einem eine Vogelspinne auf die Hand gesetzt wird. Und man kann einfach unmöglich die ganze Zeit daran denken, wie tief es nach unten geht und ob der TÜV die Karabinerhaken auch wirklich gut geprüft hat, wenn man über wackelige Hängebrücken läuft, sich an armdicken Tauen entlanghangelt und wie Indiana Jones per Seilwinde von Baum zu Baum rutscht. Irgendwann geben die Angstzentren in meinem Gehirn dem Adrenalindauerfeuer nach - dann macht es Spaß!
Aus eigener Betroffenheit hier also ein dringender Erziehungsrat an alle Eltern: Wenn Sie einen fantasiebegabten, überängstlichen achtjährigen Sohn haben, der sich nix traut - schleifen Sie den bloß in einen Kletterwald. Das spart ihm später mindestens 200 Therapiestunden.
Baumklettern |
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zum Beispiel im Kletterwald Brühl, Mo. bis Fr. 12-20 Uhr, Sa. und So. 10-20 Uhr, Eintritt Erwachsene 19 Euro, Kinder bis einschließlich 12 Jahre 11 Euro (gilt jeweils für vier Stunden), www.schwindelfrei-bruehl.de |
Aus der FTD vom 19.11.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD
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