Madoff-Skandal

Dossier Aufräumarbeiten nach Milliardenbetrug

von Sebastian Bräuer (New York)

In New Yorks Prachtstraße Third Avenue spielen sich filmreife Szenen ab: Investoren fordern von Milliardenbetrüger Madoff ihr Geld zurück, Sicherheitsbeamte bewachen das Gelände, Mitarbeiter räumen ihre Büros.

Ein solch bedrohliches Szenario kannte Mohamed Yusuf nur aus Actionfilmen. "Polizei, FBI, Kameras, Geschrei", stammelt er mit weit aufgerissenen Augen in schlechtem Englisch. Der Kioskverkäufer stand am Tag nach der Verhaftung Bernard Madoffs am Freitag mit seiner fahrbaren Hotdog-Bude vor der Firmenzentrale des mutmaßlichen Milliardenbetrügers. Ein roter, ovalförmiger Wolkenkratzer, der nach oben hin mehrfach die Form ändert und auf der Vorderseite bis zum dritten Stock hoch von wuchtigen Säulen verziert wird. Selbst für New Yorker Verhältnisse ist die Architektur außergewöhnlich.

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Der Prachtbau an der ohnehin protzigen Third Avenue hätte auch einem klischeebeladenen Film über Wall-Street-Zocker als Kulisse dienen können. Jetzt ist er in der realen Welt der Ort, an dem nach Behördeneinschätzungen der größte Finanzbetrug aller Zeiten stattfand. Um insgesamt 50 Mrd. $ hat Madoff nach eigenen Angaben Investoren in aller Welt geprellt.

Bernard L. Madoff kam nach seiner Verhaftung wegen Betrugsverdachts auf Kaution wieder frei
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Einige von ihnen hatten sich nach Madoffs Verhaftung im Foyer der Firmenzentrale versammelt in der Hoffnung, Informationen über den Verbleib ihres Geldes zu bekommen. Am Dienstagmorgen sind keine Investoren mehr zu sehen. Was sollen sie auch erreichen? Laut Madoff waren von den Anlegermilliarden am Ende nur noch 200 bis 300 Mio. $ übrig, die Firma wird liquidiert.

Dafür kommen ehemalige Mitarbeiter Madoffs noch einmal ins Büro, um ihre persönlichen Sachen zu holen. Mehr arbeitslose Finanzprofis. Keiner sagt etwas. Angeblich ahnten selbst Madoffs Söhne Mark und Andrew, die leitende Angestellte waren, nichts vom fatalen Geschäftsmodell ihres Vaters.

Am Eingang wacht ein FBI-Beamter eisern darüber, dass nur Mitarbeiter das Haus betreten. Ein Sicherheitsbeamter wie im Film: Zwei Meter groß, schwarz, grimmiger Blick, Pistole am Gürtel. Neben ihm leuchtet ein bunt geschmückter Weihnachtsbaum, was nicht wirklich zur giftig-ernsten Stimmung passt. Die hübsch verpackten Geschenke daneben sind reine Deko, hohl wie Madoffs Fonds.

Der Fiskalbeamte Paul Hiller darf nun prüfen, wie viel der Pensionsfonds des Städtchens Fairfield mit Madoff-Investments verloren hat
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Bernard Madoff, eine Wall-Street-Legende mit ausgezeichnetem Ruf, gab sich gern spendabel. In der Edelkneipe PJ Clarke's, einem schicken Backsteinbau nahe der Firmenzentrale, schmiss der 70-Jährige Partys für Kunden und Trader. Einige hatten es nicht weit: Direkt nebenan residiert die französische Bank BNP Paribas, eines der vielen Madoff-Opfer. Im gleichen Gebäude arbeiten die Anwälte von Schulte Roth & Zabel, die den geprellten Fonds Ascot Partners vertreten. Und nur einen Steinwurf entfernt sitzt das wohl größte Opfer: Die Fairfield Greenwich Group hatte dem Nachbarn nach eigenen Angaben 7,5 Mrd. $ anvertraut.

Die Liste der gefoppten Promis wird ebenfalls immer länger: Regisseur Steven Spielberg und Nobelpreisträger Elie Wiesel sind über ihre Stiftungen genauso von dem Skandal betroffen wie Immobilienmogul Mortimer Zuckerman und New Jerseys Senator Frank Lautenberg.

Eine der Banken, die in diesem Jahr in praktisch jedem kriselnden Sektor der Finanzwelt Verluste erlitten hat, ist die Citigroup. Während andere Finanzhäuser umgehend bekannt gaben, ob sie Geld bei Madoff investiert hatten, verweigert die Großbank bislang jeden Kommentar. Nach dem Gesetz der Nähe müsste sie besonders hart getroffen sein: Die Firmenzentrale des einst weltgrößten Bankenkonzerns grenzt unmittelbar an Madoffs ovalen Prachtbau. Nur eine zweispurige Straße trennt die Gebäude. Das Starbucks-Café im Citi-Komplex, in dem die Banker gern Pause machen, war für Madoff sogar schneller zu erreichen als PJ Clarke's.

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Aus der FTD vom 17.12.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: AP

 

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