Arbeitsrecht und Sozialrecht
 
    Aktuell: Standpunkte    
   
 
  RiArb Stein, Hamburg - Bestandsschutz und Agenda 2010
 

 
Hat das Kündigungsschutzrecht benutzerfeindliche Züge? Es wäre kurzsichtig, ritualhaft wiederholten Klischees folgend notwendigen Arbeitnehmerschutz zu durchlöchern. Eine vorurteilsfreie Bestandsaufnahme könnte dagegen die Chance bieten, vernünftige Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Der aktualisierte Standpunkt befasst sich mit allen zur Zeit vorliegenden Entwürfen zur Änderung des KSchG aus Politik – insbesondere dem Entwurf eines ArbMRefG - und Wissenschaft und bewertet diese in einer Gesamtschau.

Arbeitnehmer brauchen Kündigungsschutz. Das Experiment, in einer Marktwirtschaft soziale Gerechtigkeit zu realisieren, kann ohne ernstzunehmenden Schutz des Arbeitsplatzes nicht auskommen. Das KSchG von 1951, das jetzt zum Sündenbock gemacht wird, zielt auf Bestandsschutz. Es verbietet Kündigungen nicht schlechthin. Arbeitnehmer sind keine Lebenszeitbeamten. Notwendige, begründete Kündigungen verhindert der bestehende Kündigungsschutz nicht. Im Visier sind allein willkürliche Kündigungen. Für die Beschäftigten hat der Kündigungsschutz eine außerordentlich starke Symbolkraft. Den Kündigungsschutz gegen den Willen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer radikal auszuhöhlen, würde Grundlagen des sozialen Friedens wegschlagen.

Im Windschatten der konservativen Agenda (Vorrang für monetäre Stabilität vor anderen öffentlichen Aufgaben; Marktfreiheit und Deregulierung; forcierte Privatisierung von öffentlichem Eigentum und öffentlichen Aufgaben) wächst die Kritik daran. Nicht wenige Beiträge gehen an die Substanz des KSchG. Die Nagelprobe kommt. Wer Ja sagt zu allgemeiner Wohlfahrt, zu Solidarität und Interessenausgleich, wird aus kulturellen und politischen Gründen einer Logik des Hire und Fire zu widersprechen haben. Es erscheint fragwürdig, die Gründe für die ökonomische Misere nicht im Zustand der Produktmärkte und in konjunkturellen Krisen, in der ungleichen Verteilung von Arbeit und in fehlender Nachfrage, sondern im Arbeitsrecht zu suchen.

Wer nicht ideologisch denkt, wird nüchtern prüfen, ob sich ökonomische Gegebenheiten oder auch Wertehaltungen so verändert haben, dass ein ehedem passgenaues Gesetz mittlerweile nicht mehr optimal ist, sondern inzwischen möglicherweise zum Teil kontraproduktiv wirkt. Denn Kritik am bestehenden Zustand ist unbestreitbar zum Teil berechtigt. Die wesentlichen Regelungen des Kündigungsschutzrechts haben sich im Wortlaut des Kündigungsschutzgesetzes versteckt. Vielen Arbeitgebern offenbaren sich die Geheimnisse des Kündigungsschutzrechts erst im Arbeitsgerichtsprozess. Diejenigen, die sich keine professionelle Hilfe leisten, sind überfordert. Wenn es gelänge, das Kündigungsschutzrecht punktuell effektiver zu gestalten, wäre auch ohne beschäftigungsfördernde Effekte Arbeitnehmern und Arbeitgebern gedient.

Lesen Sie hier den Beitrag „Bestandsschutz und Agenda 2010“ von Peter Stein, Richter am Arbeitsgericht Hamburg vom 28.08.2003 (38 Seiten).


Informieren Sie sich hier über das gesamte Gesetzgebungsvorhaben bezüglich des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt!


RA Dr. Bauer/Prof. Dr. Preis/RA Dr. Schunder zum ArbMRefG


Prof. Dr. Preis, Reform des Bestandschutzrechts im Arbeitsverhältnis





zurück

 
  Ältere Standpunkte finden Sie im Archiv
 
 
Suche