Transparenz für Gentechnik bei Lebensmitteln
  Sa 10.03.2007 | 14:12 Uhr
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Nahrungsmittelerzeugung mit und ohne Gentechnik

Koexistenz und Wahlfreiheit - ein Spiel mit verdeckten Karten


Verbraucher und Landwirte sollen auch in Zukunft zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik wählen  können. Diese "Wahlfreiheit" wollen alle - doch selten wird offen gelegt, was darunter konkret verstanden wird.

Bis auf kleinere Flächen in Spanien werden in der EU keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Seit 1998 sind keine Zulassungen erteilt worden. Dennoch wird derzeit heftig darum gestritten, ob in Zukunft eine  Landwirtschaft, die gentechnisch veränderte Pflanzen nutzen, und eine, die ausdrücklich darauf verzichten will, nebeneinander bestehen können - ohne die Wahlfreiheit zu gefährden.

Das Problem: Die strikte, absolute Trennung der beiden landwirtschaftliche Konzepte ist unter natürlichen Bedingungen kaum möglich. Wenn Pflanzen blühen, wird Pollen verbreitet. Bei der Ernte und Verarbeitung sind Vermischungen nicht völlig auszuschließen oder zu verhindern. Vor diesem Hintergrund wird Wahlfreiheit unterschiedlich ausgelegt. 

  • Umwelt- und Teile der Verbraucherverbände verstehen unter Wahlfreiheit, dass auch in Zukunft Lebensmittel erzeugt werden können, die absolut frei von nachweisbaren GVO-Anteilen sind. Eine entsprechende Kennzeichnung soll die Verbraucher selbst auf minimale GVO-Spuren hinweisen. 
    Eine rechtsverbindliche Garantie auf eine 100%ige GVO-Freiheit wird niemand abgeben können, wenn in einer Region gv-Pflanzen derselben Kulturart freigesetzt oder angebaut werden. Wenn Wahlfreiheit bedeutet, dass es absolut GVO-freie Produkte geben muss, dann ist eine Koexistenz zwischen einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik nicht möglich. Folglich haben vor allem jene Verbände die Nulltoleranz auf ihre Fahnen geschrieben, welche die Grüne Gentechnik grundsätzlich ablehnen.

  • Auch Industrie, Handel, Bauernverband, sowie einige Gewerkschaften plädieren für Wahlfreiheit.  Sie verstehen darunter, dass es Produkte auf dem Markt geben soll, die unter Anwendung der Gentechnik erzeugt werden, und solche, bei denen bewusst auf diese Technologie verzichtet wird. 
    Hier bezieht sich Wahlfreiheit auf Produkte, die mit oder ohne eine gezielte Anwendung der Gentechnik erzeugt wurden, nicht auf einen absoluten Ausschluss jeglicher GVO-Spuren. Dieses Verständnis von Wahlfreiheit erfordert es, eine Grenze zwischen gezielter Anwendung und ungewollter, zufälliger "Verunreinigung" zu definieren. Dazu ist es notwendig, Schwellenwerte für tolerierbare GVO-Spuren festzulegen.

Schwellenwerte: Entscheidung über Koexistenz. Um die Höhe dieser Schwellenwerte - sowohl im Saatgut, wie bei Lebensmitteln - wird heftig gestritten. 

  • Die Gentechnik-Gegner wollen einen Schwellenwert von 0 oder 0,1%, der technischen Nachweisgrenze. 

  • Verbände aus Handel und Industrie sowie einige Gewerkschaften haben unterschiedliche Vorstellungen. In einem gemeinsamen Thesenpapier wird kein konkreter Wert genannt. Einig ist man, dass er "praktikabel" sein soll.

Künftig gilt für Lebens- und Futtermittel ein Schwellenwert von 0,9%, bis zu dem zufällige, technisch unvermeidbare GVO-Beimischungen ohne Kennzeichnung toleriert werden. 

Noch etwas komplizierter liegt die Sache bei Saatgut. Bisher gibt es keine besonderen Gentechnik-Vorschriften. Künftig will die EU-Kommission einen je nach Pflanzenart gestaffelten Schwellenwert von 0,3 - 0,7%  tolerieren. Die Saatgut-Schwellenwerte sind so berechnet, dass die aus den jeweiligen Pflanzen erzeugten Produkte unter dem Kennzeichnungs-Schwellenwert von 0,9% bleiben.

Um Saatgut-Schwellenwerte wird heftig gestritten. Pflanzenzüchter fordern mindestens 1%, Umwelt- und Ökoverbände 0,1%. Sie sehen die "Reinheit des Saatguts" gefährdet. 

Die Auseinandersetzung um die Höhe der Schwellenwerte wird auch deshalb so erbittert geführt, weil damit indirekt über die Bedingungen entschieden, unter denen eine Nutzung der Grünen Gentechnik möglich wird.

  • Je niedriger der Schwellenwert ist, um so aufwändiger und kostspieliger werden die Maßnahmen, welche die Landwirte zu seiner Einhaltung ergreifen müssen: etwa die Einhaltung von Abstandsflächen, abgestimmte Aussaattermine und Fruchtfolgen, Säuberung von Ernte- und Verarbeitungsmaschinen.

  • Schwellenwerte nahe an der 0%-Grenze sind in einer kleinteiligen Landwirtschaft mit unabhängigen Betrieben nicht finanzierbar.

  • Bleibt es etwa bei den Schwellenwerten, wie sie die Kommission vorschlägt, sind diese bei Einhaltung bestimmter Regeln grundsätzlich erreichbar, auch wenn es zu einem Anbau von gv-Pflanzen kommen sollte. Die jeweils erforderlichen Maßnahmen unterscheiden sich je nach Pflanzenart und Anbaubedingungen (etwa Größe der Betriebe, Zuschnitt der Felder).

Mit der Höhe des Schwellenwerts wird auch über die Höhe der Kosten entschieden, die aufzubringen ist, wenn es Koexistenz einer Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik geben sollte. Nur - wer zahlt dafür? Und wer haftet, wenn ein Produkt wegen überschreiten des Schwellenwerts gekennzeichnet werden muss und Markteinbussen erleidet? Auch jenseits der Entscheidung über die Höhe des Schwellenwerts sind noch viele Fragen ungelöst.

Nulltoleranz: Nicht einzuhalten. Dennoch: zum Schwellenwert-Konzept gibt es keine Alternative.

  • Auch wenn die die Grüne Gentechnik in Europa nicht zur praktischen Anwendung kommt - aus der Welt schaffen kann man sie nicht. Derzeit werden auf etwa 67 Mio. ha weltweit gv-Pflanzen angebaut - Tendenz steigend. Europa kann sich gegen die internationalen Agrarmärkte nicht abschotten. 

  • Schon jetzt sind in vielen mais- und sojahaltigen Lebensmitteln GVO-Spuren nachweisbar - selbst bei Öko- und anderen Produkten, deren Hersteller sich um gentechnik-freie Vorprodukte bemühen. Ein sehr niedriger Schwellenwert wird dazu führen, dass Produkte, die ohne Gentechnik erzeugt wurden, gekennzeichnet werden müssen.  Die Konsumenten können nicht mehr zwischen bewusster Gentechnik-Anwendung und unvermeidbaren Spuren unterscheiden. 

  • Unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln sind nichts grundsätzlich Neues. So ist im ökologischen Landbau zwar das Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln verboten, dennoch sind diese in Öko-Produkten nachweisbar.

In der Natur gibt es kein "Null Prozent". Ökosysteme sind offen; ein Verfrachten und Austausch von Genen und biologischem Material - über Pollenflug und Gentransfer - ist nicht zu unterbinden. Allerdings: Gene vermischen sich nicht nach Belieben. Einzelne Pollen fliegen zwar weit, aber schon wenige Meter neben einem Feld mit gv-Mais und -Raps sinkt die Zahl der Auskreuzungen auf konventionelle Sorten drastisch. 

Verschiedene Studien zeigen, dass es durchaus möglich ist, Vermischungen zwischen GVO- und konventionellen Produkten so weit zu minimieren, um auch in Zukunft eine Wahlfreiheit zu gewährleisten - als Entscheidung der Konsumenten, ob sie Produkte kaufen wollen, die mit oder unter Ausschluss gentechnischer Anwendungen erzeugt wurden. 

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30. Oktober 2002 [nach oben springen]

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