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Es rollt und rollt und rollt

Tiergartentunnel öffnet früher als angekündigt

Daniela Zinser

Foto: Helmut Geyer hat sie alle ausgetrickst. Statt um 14.40 Uhr, wie überall angekündigt, hat der Projektleiter den Tiergartentunnel gestern klammheimlich eine Dreiviertelstunde früher erstmals für die Autos freigegeben. Er rechnete mit einem großen Ansturm an Tunnel-Probefahrern und wollte zur offiziell angekündigten Öffnungszeit Staus verhindern. So schalteten bereits um 13.47 Uhr die Ampeln an der Einfahrt Reichpietschufer auf Grün und statt der Meldung "Tunnel gesperrt" standen nun die Richtungen - "Prenzlauer Berg. Wedding, Hauptbahnhof" - auf den Hinweisschildern.

Der Trick des Projektleiters hat funktioniert. Am ersten Öffnungstag der unterirdischen Nord-Süd-Verbindung gab es keine Staus und der Verkehr lief normal. Die Autofahrer wurden von der plötzlichen Tunnelöffnung richtig überrascht und viele testeten die Durchfahrt ganz spontan. So wie Tobias Gerhardt, der als einer der ersten nach den 2,4 Kilometern am Reichspietschufer wieder herauskam. Der 60-jährige Ingenieur aus Spandau fuhr die Invalidenstraße entlang und entdeckte zufällig, dass der Tunnel geöffnet war, also probierte er ihn aus. Von seiner ersten Fahrt ist er begeistert: "Es war sehr schön und so hell. Und der Tunnel ist eine gute Abkürzung, ich werde ihn nun auf jeden Fall öfter nutzen."

Der Allererste, der gestern durch den Tiergartentunnel fahren durfte, war Busfahrer Helmut Schepe. Er hatte um 12.15 Uhr das offizielle Eröffnungskomitee an Bord: den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Die Politiker zeigten sich überzeugt, dass der Tunnel den Verkehr in der Innenstadt deutlich entlasten werde, und hoben die aufwändige Sicherheitstechnik des Tunnels hervor. Dabei übertrafen sie sich gegenseitig darin, das Projekt zu rühmen: "gigantisches Bauwerk" (Tiefensee), "Meisterstück der deutschen Ingenieurs- und Baukunst" (Wowereit), "bedeutendstes Bauwerk der Berliner Verkehrsgeschichte nach der Wende" (Junge-Reyer). Busfahrer Schepe sah das Ganze nüchterner: "Durch die weißen Wände ist es schön hell und es fährt sich sehr übersichtlich." Vom Tunnel sahen die Politiker übrigens nicht viel: Die Scheiben des Busses waren beschlagen. (daz.)