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Neonazi-Prozess: Staatsanwalt fordert zwei Jahre Jugendstrafe
Angeklagter ′voll schuldfähig′ - Urteil wird am Montag erwartet
Kassel. Im Neonazi-Prozess um den Überfall am Neuenhainer See (Schwalm-Eder-Kreis) wird das Landgericht Kassel das Urteil am kommenden Montag um 10.30 Uhr verkünden. Der angeklagte rechtsradikale Kevin S. (19) aus Alsfeld im Vogelsbergkreis soll für zwei Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Diese Jugendstrafe forderte am Montag vor dem Kasseler Landgericht Staatsanwalt Michael Dietrich.
S. sei der gefährlichen Körperverletzung schuldig. Er habe im Juli ein linkes Zeltlager am Neuenhainer See (Schwalm-Eder-Kreis) überfallen und auf ein schlafendes 13-jähriges Mädchen und ihren 23 Jahre alten Stiefbruder mit einem Spaten und einer Bierflasche eingeschlagen. Kevin S. habe damit, so der Staatsanwalt, schwere Schuld auf sich geladen. Er sei voll schuldfähig.
Vor allem das Mädchen war durch die Schläge zum Teil massiv verletzt worden. Sie trug eine Hirnhautblutung, Blutergüsse im Gesicht und eine Gehirnerschütterung davon. Noch heute ist sie traumatisiert. Einen Tötungsvorsatz könne man Kevin S. dennoch nicht nachweisen, sagte Staatsanwalt Dietrich: "Er hatte nicht vor, seine Opfer zu töten". Die Schläge seien nur mit geringer Intensität ausgeführt worden - sie hätten einen Menschen nicht umbringen können.
Thoma Kämmer, Anwalt der 13-Jährigen und damit Nebenkläger, forderte kein konkretes Strafmaß. Er appellierte an das Gericht, zu prüfen, ob es nur eine gefährliche Körperverletzung war oder es sich doch um einen versuchten, heimtückischen Mord handelte.Verteidiger Dirk Waldschmidt (ehemaliger Landtagskandidat der NPD) hielt eine Jugendstrafe für nicht angemessen. Das Gericht solle gegen Kevin S. "geeignete Zuchtmittel" verhängen.
Der Rechtsmediziner Prof. Klaus-Steffen Saternus hatte in seinem Gutachten erklärt, die Wahrscheinlichkeit, dass die 13-Jährige an den Schlägen hätte sterben können, sei nicht hoch gewesen. Der Gutachter betonte ebenso wie der Staatsanwalt, dass Kevin S. trotz reichlich Alkohol im Blut voll steuerungsfähig war - er wusste, was er tat.
Nach eigenen Angaben hatte Kevin S. vor der Tat auf einer Kirmes etwa acht Bier und drei Gläser Apfelwein/Cola getrunken. Dazu noch fast einen halben Liter Jägermeister - auf ex als so genannten Sturztrunk. Das, so der Gutachter, ergebe einen Alkoholgehalt zwischen 2,5 und 2,8 Promille. Kevin S. hätte also volltrunken sein müssen. Sein planvolles Vorgehen bei der Tat passte aber nicht dazu.
Kevin S. beteuerte am Montag noch einmal, dass er sich inzwischen von der rechten Szene gelöst habe. Seine politischen Absichten deckten sich weder mit denen von Rechts - noch mit denen der Linksextremisten. Was er denke, erklärte Kevin S. nicht weiter - offenbar hängt er einer so genannten Querfront-Theorie an. Die besagt, dass Rechte und Linke letztlich gleichermaßen Sozialisten seien.
Die Opfer ließen über ihren Anwalt Thomas Kämmer erklären, sie würden einen Opfer-Täter-Ausgleich zustimmen, wenn Kevin S. sich am Ikarus-Programm des Hessischen Landeskriminalamtes beteilige. Mit dem Ikarus-Programm soll Neonazis geholfen werden, aus der Szene auszusteigen. Kevin S. sagte dazu, er brauche das Programm zum Ausstieg nicht. Er habe die Szene schon verlassen. Sein Verteidiger Dirk Waldschmidt sagte, durch die Teilnahme an diesem Programm werde die freie Meinungsäußerung beschnitten. Wenn das Gericht es wünsche, werde Kevin S. gleichwohl an dem Aussteiger-Programm teilnehmen.
Von Frank Thonicke
05.01.2009 | An den Anfang der Seite
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