Mittwoch, 11. Feber 2009 | Schriftgröße: AAA

» Registrieren / Anmelden

Darwins Spur in der DNA

Teil 3 der Serie: Wer Darwins Erben sind, die die Evolutionstheorie vorantreiben, und wie moderne Forschung die 150 Jahre alte Theorie untermauert.

Verwandte Urtümliche Lebewesen als Studienobjekte DruckenSendenLeserbrief
Im Sommer 1966 trieb sich der Mikrobiologe Tom Brock im Yellowstone-Park nahe der Geysire herum. Da fielen ihm rosarote Fäden in den heißen Quellen auf. Er befestigte Mikroskop-Objektträger an einer Schnur, ließ sie ins Wasser, band das andere Ende an einen Baum – und wartete. Nach ein paar Tagen holte er die Plättchen heraus: Ein Film hatte sich gebildet und bestätigte, was Brock vermutet hatte. Es gab Bakterien, die 100 und mehr Grad locker vertrugen. Das mit den Bakterien stellte sich später als Irrtum heraus: Der Mikrobiologe hatte eine neue Abteilung des Lebendigen entdeckt – Archaea genannt.

Die eigentliche Sensation war aber die Gen-Analyse: In Archaea finden sich zahlreiche Genabschnitte, die es auch im Menschen gibt. Die einfachen Lebewesen zählen also zu unseren ursprünglichen genetischen Vorvätern.

Einblicke

Neueste Forschungsmethoden, von denen Charles Darwin nicht einmal träumen konnte, belegen die Theorien des Vaters der Evolutionstheorie. "Die Genomik schafft die Möglichkeit, tiefe Einblicke in den Evolutionsprozess zu gewinnen ", sagt Sean Carroll, US-Molekularbiologe und Autor von "Die Darwin-DNA". "Nach Darwin konnte man die natürliche Selektion lang nur auf der Ebene ganzer Organismen untersuchen. Heute können wir Veränderungen in der DNA identifizieren, mit deren Hilfe Arten sich an neue Umweltverhältnisse anpassen." Viele Gene tragen Narben der natürlichen Selektion – sie erinnern daran, welche Kämpfe unsere Vorfahren mit Krankheitserregern ausfechten mussten. Forscher haben auch Hunderte Gene entdeckt, die seit zwei Milliarden Jahren erhalten geblieben und von Generation zu Generation weitergegeben wurden.

Es war Ernst Mayr, der Darwins Evolutionslehre mit der modernen Genetik verband, was dem gebürtigen Deutschen den Beinamen "Darwin des 20. Jahrhunderts" eintrug. Er wurde zum Hauptvertreter der synthetischen Theorie der Evolution, nachdem er in den 1940er-Jahren den biologischen Artenbegriff formuliert hatte, der eine Art als Fortpflanzungsgemeinschaft definiert. Das war damals nötig geworden, denn die Molekularbiologie enthüllte: Der optische Eindruck kann trügen. Einander sehr ähnliche Tiere waren nicht unbedingt miteinander verwandt. Umgekehrt waren Unterschiede, wie etwa zwischen der Schnee- und der Blaugans, kein Beweis für Paarungsunfähigkeit.

In einem Punkt irrte Mayr: Er glaubte, die Augen seien in verschiedenen Tiergruppen unabhängig voneinander erfunden worden. Neue Befunde zeigen aber, dass auch völlig unterschiedlich gebaute Augen Gemeinsamkeiten haben: Die gleichen Gene steuern ihre Entwicklung – egal ob Insekt oder Wirbeltier. Und bringen je nach Bedarf Unterschiedliches hervor.

So, wie die Evolution nie still steht, entwickelt sich auch die dazugehörige Forschung weiter. Für den Mikrobiologen Sean Carroll beginnt gerade ein neuer Akt in der Evolutionstheorie: In zwanzig Jahren hat die Evolutionäre Entwicklungsbiologie, kurz Evo-Devo, nachgewiesen, dass die Körperstrukturen von den selben Schaltelementen gesteuert werden: So bringen bestimmte genetische Sequenzen beim Krebs Beine hervor, beim Vogel Flügel. Für ein neues Merkmal braucht es keine Kette von Mini-Änderungen. Eine leichte Abwandlung der Schaltsequenz reicht. Den Rest besorgt der Organismus.


Ausblicke

Einer der Hotspots der Evo-Devo-Forschung ist das Konrad Lorenz Institute for Evolution & Cognition Research in Altenberg (NÖ). Vorstand der Forschungseinrichtung ist Gerd Müller, der sagt: "Vieles wird derzeit diskutiert – etwa Gruppenselektion." Ja, auch das gibt es: Danach können sich Erbanlagen durchsetzen, die dem Einzelnen keinen Fortpflanzungserfolg sichern, aber das Überleben der Gruppe garantieren. Müller: "So ließe sich altruistisches, also selbstloses, Verhalten erklären" – bisher eine harte Nuss für Forscher.

Überhaupt betrachten Wissenschaftler die Geschichte der Arten längst nicht mehr als Biografie der Sieger. Ernst Mayr betonte den Zufall in der Evolution. "Wie wäre es sonst zu erklären, dass ein Pfau seinen Schwanz hat?" Der sei bei der Flucht bloß hinderlich. "Es geht also wohl nicht um das Überleben der Tauglichsten, sondern um die Eliminierung der Schwächsten. Ein Pfau mit einem solchen Schwanz kann nicht der beste Pfau sein. Aber wenn nur die Schwächsten eliminiert werden, dann bleiben viele übrig, die weder besonders gut noch besonders schlecht sind."

INFO: Sean Carroll: "Die Darwin-DNA", S. Fischer, 20,50 €

Artikel vom 06.01.2009 20:30 | KURIER | Madeleine Amberger, Susanne Mauthner-Weber

Nachrichten

Thema: Darwin-Jahr 2009



Werbung