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Die Pannen im Fall Israilov

Ein Mord – und noch mehr Täter Zum Hauptartikel

Die Polizei schließt nicht mehr aus, dass mehr als zwei Täter in Wien dem Tschetschenen Umar Israil auflauerten.

Gaspistole Der Tschetschene wurde mit drei Projektilen niedergestreckt. DruckenSendenLeserbrief
Nach drei Tagen des Schweigens – zumindest auf offizieller Ebene – nahmen Polizei und Justiz am Donnerstag erstmals zu dem Agenten-Mord in Wien Stellung.

Wie berichtet, wurde am Dienstag der 27-jährige Tschetschene Umar Israilov auf offener Straße hingerichtet. Zwei Männer – einer mit Tarn-Jacke und langer Pistole, der zweite mit grauer Hose – wurden beobachtet, als sie vom Tatort flüchteten. Ein Tschetschene, der seinen Namen auf Otto K. ändern ließ, sitzt in Haft. Er bestreitet, mit dem Mord zu tun zu haben. Unklar ist noch, welche Rolle er genau in dem Fall spielt: War er der Organisator der Tat oder "nur" Fahrer oder Auto-Verleiher?

Drei Fluchtautos

Verdächtiger Tatverdacht: Otto K. soll Mitwisser bei der Ermordung von Israilov gewesen sein.Nun wurden Zeugenaussagen abgeglichen: Nicht nur ein grüner Volvo (er gehört Otto K.), sondern auch ein gelber Mercedes und ein Skoda seien beobachtet worden, als sie kurz nach dem Attentat aus dem Grätzel um die Floridsdorfer Ostmarkgasse brausten. Waren nicht nur zwei, wie bislang angenommen, sondern viel mehr Verschwörer am Tatort und lauerten Israilov auf? "Man kann es nicht ausschließen", sagt Gerhard Haimeder vom Landeskriminalamt Wien.

Der Fall ist jedenfalls Angelegenheit des Verfassungsschutzes, spielen doch die Hintergründe in den tschetschenisch-russischen Konflikt hinein. Dass Israilov zuletzt bedroht worden war, wird von Hofrat Walter Nevoral vom Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung (LVT) und Staatsanwalt Gerhard Jarosch relativiert: "Er fühlte sich beobachtet." Im Hintergrund seien hier eMails von Israilovs Flüchtlingsbetreuer gestanden, in denen von einer "vagen Bedrohungslage" die Rede gewesen sei. Man hätte "Schritte zur Konkretisierung unternommen", so der knappe offizielle Kommentar.

Die Frage nach den wahren Hintergründen der Tat will man offiziell zumindest nicht kommentieren: "Kriminaltaktische Gründe".

Und in der Tat sind die Hintergründe verworren – es stellt sich überhaupt die Frage: Wer sind die Guten? Wer sind die Bösen? Eine wirkliche Grenzlinie können die Ermittler des LVT in der brisanten Causa nicht ziehen. Die Killer (und ihr mutmaßlicher Helfer, Otto K., 40) werden höchstens in ihrer Heimat Heldenstatus erreichen – in Österreich erwartet sie der Strafrichter. Und bis zu lebenslange Haft.


Der Gute

Über Opfer Umar Israilov, 27, gibt es – wie berichtet – verschiedene Darstellungen: Leibgardist des Tschetschenen-Präsidenten Kadyrow, dessen Gräueltaten er nicht mehr mit ansehen hätte können, weshalb er – auch noch selbst zum Folteropfer geworden – mit Frau und Kindern nach Österreich geflüchtet sei. Letztendlich griff er Kadyrow auch noch per Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. Das ist die eine Seite.



Der Böse

Die andere Beschreibung des Mannes, von seinen Feinden, aber auch aus seinem privaten Umfeld zu hören, klingt weniger bemitleidenswert: Einst bewaffneter Rebell, dann Scherge in Kadyrows Diensten, "Folterknecht" und "Agent mit der Lizenz zum Töten". Und letztendlich eben ein "Verräter" Kadyrows, der "den Tod verdient hat", wie Otto K., 40, der wegen Verdachts der Beteiligung an dem Mord in U-Haft sitzt, in Verhören gesagt haben soll.

Die Wiener LVT-Agenten suchen nun die beiden unmittelbaren Täter, die auf der Flucht kurz nach dem Attentat von einem Zeugen fotografiert worden waren. Ihr offenbarer Fluchtwagen, Otto K.s grüner Volvo, wird auf Kleider-Abrieb- und DNA-Spuren untersucht. Aufschluss soll auch die Auswertung von Handy-Daten bringen.

Hinweise in dem Fall (auch vertraulich): 01/31310-74035

Artikel vom 15.01.2009 16:48 | KURIER | Peter Grolig und Oliver Jaindl

Wien



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