Der Gauleiter Karl Hanke. Per Aushang und mit Lautsprecherdurchsagen gibt Gauleiter Karl Hanke am 21. Januar 1945 bekannt: "Männer von Breslau! Unsere Gauhauptstadt ist zur Festung erklärt worden. Die Evakuierung der Stadt von Frauen und Kindern läuft und wird in Kürze abgeschlossen sein." Der Befehl betrifft 630.000 Menschen. Dazu zählen viele, die vor den Bombenangriffen auf die Großstädte im Westen des Deutschen Reiches in Sicherheit gebracht wurden. Zusätzlich drängen seit Tagen Flüchtlingstrecks aus den Gebieten östlich der Oder in die Stadt. Bislang galt Breslau als "Luftschutzkeller" des Reiches, da es hier bis Anfang 1945 nur vereinzelte Bombenangriffe gegeben hat.
Flüchtlingstreck in Breslau. Nach Hankes Befehl beginnt die überstürzte, schlecht organisierte Evakuierung. Die wenigen Züge bringen erste Flüchtlinge in den Westen. Die Frauen müssen zu Fuß mit ihren Kindern aufbrechen. Bei Temperaturen von bis zu 20 Grad minus wird die Flucht für viele zur Todesfalle - sie bekommt den Namen "Todesmarsch der Breslauer Mütter". Ungefähr 60.000 verlassen in diesen Januartagen die Stadt, 18.000 verlieren ihr Leben, darunter viele Kinder. Aufgrund dieser Ereignisse weigern sich nun viele Breslauer, die Stadt zu verlassen. Rund 200.000 Zivilisten erleben in den kommenden zwölf Wochen den Kampf gegen die Rote Armee.
Eine Rinderherde wird in Breslau zum Schlachthof getrieben. Bereits im August 1944 hat Adolf Hitler die Stadt in einem Geheimbefehl zur "Festung" bestimmt. Nachdem der neu ernannte Festungskommandant Generalmajor Krause im September in Breslau seinen Dienst angetreten hat, beginnen die Vorbereitungen: Unter anderem werden Lebensmittelvorräte angelegt. Die Einwohner wissen nichts von den Beschlüssen und wundern sich, warum Viehherden durch die Stadt zum Schlachthof getrieben werden. Als Krause im Dezember vorschlägt, die Zivilbevölkerung vorsorglich aus der Stadt zu bringen, will Hanke nichts davon wissen.
Zerstörte Leuthenstraße in Breslau. Am 12. Januar überschreitet die Rote Armee auf breiter Front die Grenzen Ostpreußens. Sowjetische Einheiten bewegen sich auch auf Schlesien zu. Erst fünf Tage später werden die Ersatztruppen in Alarmbereitschaft versetzt und eine Volkssturmtruppe gebildet. Ungefähr 45.000 Mann stehen Hanke zur Verteidigung der Stadt zur Verfügung. Am 14. Februar schließt die Rote Armee den Kreis um Breslau, und es beginnt ein erbitterter Kampf um die Stadt. In der ganzen Stadt hat der Volkssturm Straßenbarrieren errichtet, es wird um jedes Haus gekämpft. Für die Zerstörung Breslaus sind zum Teil die Deutschen selbst verantwortlich. Hanke lässt Häuser sprengen, damit der Volkssturm bessere Schusslinien hat. Nachdem der Flughafen Gandau im März unter Beschuss gerät, befiehlt der Gauleiter, mitten in Breslau ein neues Flugfeld zu bauen: Zwischen Kaiserbrücke und Fürstenbrücke werden ganze Häuserblocks zerstört. Jeder, der arbeitsfähig war, wurde zu den Bauarbeiten befohlen. Es sollen dabei bis zu 1.300 Menschen ums Leben gekommen sein. Doch das einzige Flugzeug, dass je von diesem Feld rollt, ist die Maschine, mit der Hanke am 5. Mai aus der Stadt flieht. Am 6. Mai kapituliert Breslau. 70 Prozent der Gebäude sind durch Artilleriebeschuss vernichtet oder schwer beschädigt.
Bettina Meier, NDR Online