Mittwoch, 10. Dezember 2008 | Schriftgröße: AAA

» Registrieren / Anmelden

Radler-Geschichten Weblog

» zur Radler-Geschichten Weblog Startseite

Fahrrad im Film

Leider spielt die vielschichtige und komplexe Welt des Radfahrens viel zu selten eine tragende Rolle in der Populärkultur.

DruckenSenden


Räder dürfen allerhöchstens mal irgendwo im Hintergrund in der hippen Wohnung an der Wand hängen oder eine urbane Szene komplettieren, indem irgendwo einer kurz durchs Bild strampelt. Manch mutiger Regisseur tastet sich an das Thema heran, aber zu mehr als Comic Relief, wie in Butch Cassidy and Sundance Kid reicht's dann selten. Ich hätte da ein paar grandiose Ideen, und während ich die beste nicht erzählen darf, bis die Verwertungskette endgültig geklärt ist, kann ich hier ein paar Schnipsel vom Boden aufklauben, als Inspiration für mutige Filmemacher mit Vision.

Der Mountainbiker vom Silberwald

Im Wald herrscht Krieg: Der Förster stellt seit Monaten einem Mountainbiker nach, der seine Rehe schreckt und mit seinen Stoppelreifen für furchtbare Erosion verantwortlich ist. Eines Tages trifft der Radler bei einer seiner klandestinen Ausfahrten auf ein hübsches Mädchen in Not und rettet sie vor einem tollwütigen Dachs. Die beiden verlieben sich ineinander, es stellt sich aber heraus, dass sie die Tochter des Försters ist. Er darf lang und breit darlegen, wie sehr er die Natur liebt und dass der Wald allen gehört. Ihre geheimen Treffen fliegen allerdings auf, es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd, die damit endet, dass der Vater einen schweren Unfall hat und die Klimaanlage seines Pajero ausfällt. Der Radler sieht die Not seines Gegners und downhillt wie der Teufel ins Tal um für eine Hubschrauberevakuation des schon sehr schwitzenden Försters zu sorgen, aber zum Dank sperrt der den Mountainbiker ein. Auf Vermittlung der Tochter tritt der schneidige Tourismusbeauftragte auf und nach jahrelangen Diskussionen wird für ein paar Millionen eine lumpige Forststrasse freigekauft. Der Mountainbiker kommt aus dem Gefängnis und der im Kern doch weiche Förster willigt einer Hochzeit zu, vorausgesetzt, er radelt nur mehr von 12 bis 12:45 Uhr zwischen 30. und 31. Juni im Schritttempo auf Wegen, die mindestens 7 m breit sind.

Xentis Xentis

Ein einsamer Triathlet verliebt sich in eine Rennradlerin, die er immer beim Training in der Ferne im Belgischen Kreisel ihrer Freunde vorbeiziehen sieht. Sie würde sich aber nie mit ihm abgeben, was sie ihm klar macht, als er sich bei einer Trinkflaschennachfüllpause an die Gruppe heranwagt. Ihre Freunde lachen über seinen aerodynamischen Lenker, sein ärmelloses Trikot und seine Xentis-Laufräder, für die er jahrelang gespart hat. Aber als er sie mit einem Patschen am Straßenrand stehen sieht (ihre Freunde konnten ihr Sprintintervall nicht unterbrechen, um ihr zu helfen), steht er ihr bei und gibt ihr Windschatten bis nach Hause. Auf sein Drängen hin verspricht sie, ihn zu erhören, wenn er den Wampersdorfer Radmarathon gewinnt und ihr den Preis überlässt (eine Flasche Ringlottenschnaps, gestiftet vom Autohaus Wanzengruber). Nach wochenlangem Training, untermalt von euphorischer Rockmusik, tritt er an und gewinnt trotz aller Sabotageversuche um Dackelschneiderreifenbreite gegen ihren aktuellen Freund, der wütend sein Pinarello Prince davonschleudert. Sie nimmt zwar die Schnapsflasche, sagt ihm aber, dass diese Beziehung nie funktionieren würde und geht davon, um ihren Freund zu trösten, der die terminale Demütigung durch einen Triathleten kaum verkraftet. Verzweifelt geht er zum Training ins Stadthallenbad und lernt eine Schwimmerin kennen, als Cliffhanger für Teil 2. Die Handlung von der 3. Fortsetzung kann man sich ja selber ausmalen.

Der Kreuzzug der wilden Pedalritter

Aufgewachsen in einer strengen Fixie-Hipster-Sekte besteht die Welt der Heldin nur aus Dogmen: Eine Gangschaltung ist Teufelswerk, Freilauf lädt zu schädlichem Müßiggang ein, wenn Gott wollte, dass ein Rad Bremsen hat, bräuchte man keine Löcher im Rahmen zum Anschrauben. Bei einem Trackstand-Wettbewerb schneidet sie so gut ab, dass sie noch dasteht, als alle anderen schon längst heimgegangen sind. Zum ersten Mal außerhalb ihrer Gemeinschaft irrt sie umher, bis sie auf einen ebenso verlorenen Vernunftradler trifft, dessen Rad so mit Nabendynamo, Rohloff-Schaltung, hydraulischen Bremsen, Kotflügel, Klingeln und Rückstrahlern beladen ist, dass er nicht mehr damit fahren kann. Nach anfänglichem Entsetzen und dogmatischen Konflikten über wahre Form und Funktion des Rades durchlebt das ungleiche Paar gemeinsam viele Abenteuer, bei denen sie die Vorteile ihrer jeweiligen Räder geschickt ausspielen im Kampf gegen die Legionen Satans (Autos), die das Ende der Welt durch Erderwärmung herbeiführen wollen. Vor den Trümmern der im Endkampf gesprengten ÖAMTC-Zentrale küssen sie sich schließlich. Für die tolle Übersetzung des Titel bekam der Filmverleih übrigens einen Kreativitätspreis.

Gleichzeitig verkünde ich das Ende der Radblogsaison 2008 - im Jänner geht's wieder los. Bis dahin möchte ich der Leserschaft folgendes zum Nachdenken mitgeben: Ein Bügelschloss ist nützlich, auch wenn man kein zerknittertes Hemd hat.


0 Kommentare zu "Fahrrad im Film"
Kommentar schreiben

Um einen Kommentar zu diesem Artikel zu verfassen, müssen Sie sich anmelden.
» Hier geht es zur Anmeldung

Artikel vom 07.12.2008, 12:37 | KURIER | Heinz Ekker

Freizeit & Gesundheit



» Radler-Geschichten Weblog

Foto vom Autor Heinz Ekker Heinz Ekker ist der Botschafter der Radfahr-Begeisterten in Sport, Kultur und Alltag.



Weitere Weblogs