Der Sportpalast während der Rede. Bereits um halb fünf Uhr nachmittags sind die Sitzreihen des Berliner Sportpalastes bis auf den letzten Platz besetzt. Die zahlreichen Filmkameras stehen in Position. Eine halbe Stunde später schreitet Hitlers Propaganda-Chef Joseph Goebbels an diesem 18. Februar 1943 ans Rednerpult und begrüßt die rund 10.000 "deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen, die "vielen Millionen Menschen" vor ihren Radios und "die Weltöffentlichkeit". Gut zwei Wochen sind seit der deutschen Kapitulation in Stalingrad vergangen: Die sechste Armee ist dort von den russischen Truppen eingekesselt und vollständig aufgerieben worden. Ein militärisches und propagandistisches Desaster für die Nazis. Diesen Schock will Goebbels mit seinem Auftritt überwinden.
Goebbels verklärt zwar in seiner zweistündigen Rede die gefallenen deutschen Soldaten zu "Heldenopfern". Er versucht aber nicht die militärische Situation zu beschönigen, wie viele Berichte des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) das tun. Goebbels sagt ganz offen: "Das deutsche Volk kann die Wahrheit vertragen. Es weiß, wie schwierig es um die Lage des Reiches bestellt ist". Es müsse "schnell und gründlich" gehandelt werden, "sonst ist es zu spät". Goebbels ruft: "Wollt ihr den Totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können?"
"Wir müssen nur zufassen".
Auf jede dieser Fragen antwortet das Publikum mit fanatischem Applaus, Trampeln, Sieg-Heil-Rufen und Jubelschreien. Goebbels hat die Rede als pseudo-demokratische Abstimmung konstruiert: "Ich habe heute einen Ausschnitt des deutschen Volkes im besten Sinne des Wortes eingeladen", behauptet er und nennt als Erste "deutsche Verwundete von der Ostfront, Bein- und Armamputierte". Sämtliche Berufs- und Altergruppen seien angeblich vertreten. Sie alle repräsentieren für Goebbels "die Nation". Deshalb habe sich "durch euren Mund" die Zustimmung "des deutschen Volkes manifestiert". Das Gebot der Stunde laute: "Wir sehen den Sieg greifbar nahe vor uns liegen; wir müssen nur zufassen." Goebbels endet mit der Aufforderung: "Nun, Volk, steh auf und Sturm brich los!"
Dominik Reinle, WDR