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Lokalaugenschein im umstrittenen Sozialprojekt endete vor Eisen-Tür: "Wir sind kein Zoo"

Kein Schlüssel für Punk-Haus

Neue Thermofenster, beschmierte Wände: Punker-Haus in der Johnstraße 45. Foto: grotte

Neue Thermofenster, beschmierte Wände: Punker-Haus in der Johnstraße 45. Foto: grotte

Von Werner Grotte

Aufzählung Sozialarbeiter müssen anläuten.
Aufzählung Thermo-Fenster gegen Lärmproblem.
Aufzählung Leistungsverträge fehlen weiterhin.

Wien. Die Gerüchte, der FSW (Fonds Soziales Wien) habe das von ihm betriebene sogenannte Punker-Haus im 15. Bezirk nicht im Griff, gibt es seit Eröffnung des umstrittenen Sozialprojektes Ende 2007. Schon damals erklärten Hausbewohner gegenüber der "Wiener Zeitung" ihre strikte Ablehnung von "Kindermädchen", sprich Sozialarbeitern, die damals noch in einem Blechcontainer vor dem Haus logierten.

Bei einem Besuch vergangenen Freitag schien sich an dieser Lage wenig geändert zu haben – im Gegenteil: Die Sozialarbeiter sind zwar in ein geräumigeres Büro im Hinterhof des Altbaues gezogen – der Zugang zum Wohnbereich der Punks aber ist mittlerweile durch eine massive und von innen abgeschlossene Metalltür versperrt, für die angeblich nicht einmal die Sozialarbeiter selbst einen Schlüssel haben.

"Wir sind ja kein Zoo", wehrt man den bereits zugesagten Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" ab, der letztendlich nur im Sozialarbeiter-Büro stattfindet. Das Verhältnis zu den rund 30 derzeit im Haus lebenden Punks habe sich merklich entspannt, sagen die Betreuerinnen, "von der früheren Ablehnung uns gegenüber ist nicht mehr viel übrig". Vor dem Büro steht groß "Fuck you" an der Wand, die verschmierte Bürotür zeigt deutliche Spuren von Gewalteinwirkung.

Die Arbeit mit der Klientel sei natürlich schwer, die jungen Leute kämen aus sehr schwierigen Verhältnissen, seien verwahrlost, oft misshandelt worden, einige hätten ein Alkoholproblem. Daher gehe man behutsam vor, setzte kleine Schritte und freue sich über kleine Erfolge – etwa im Bereich der Körperpflege. "Wir versuchen, ihnen Hilfe behutsam schmackhaft machen, denn – so paradox es klingt – die Punks habe ihren Stolz und wollten am Anfang nichts von uns annehmen", sagen die Sozialarbeiterinnen.

Leitspruch "Hyttn her"

Edle Worte, die nicht jeder glaubt: So war den Forderung nach einer von der Stadt finanzierten "Panker-Hyttn" in den letzten Jahren nicht nur durch diverse Hausbesetzungen Nachdruck verliehen worden. An Hauswänden fand sich immer öfter der Spruch "Hyttn her!" – zuletzt sogar in fetten Lettern direkt vor der FSW-Zentrale in Wien-Simmering. Und das Credo, das die Punks seinerzeit im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" definierten, lautet schlicht: "Alles für alle."

Das Schmieren aggressiver Parolen scheint jedenfalls weiterhin zum Punk-Alltag zu gehören. Nachdem die eigene Fassade bereits mit Sprüchen wie "Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!" oder "Anarchie ist machbar, Frau Nachbar!" verziert ist, werden die Nachbarn auch aktiv involviert: "Tötet mehr Nazis" steht etwa auf der frisch renovierten zartgelben Fassade des Nebenhauses.

Zumindest das Lärmproblem, das im Sommer für zahlreiche Beschwerden aus der Nachbarschaft geführt hatte, scheint man vorerst gelöst zu haben. Rechtzeitig zur kalten Jahreszeit hat man in das desolate Althaus sowohl straßen- wie hofseitig neue Thermo-Schallschutzfenster eingebaut. Zumindest so lange diese geschlossen bleiben, können die Punks ungestört lärmen.

"Wir haben einige Musikgruppen hier; manche der Bewohner gehen sogar arbeiten", erzählen die Betreuerinnen, die selbst im 24 Stunden-Rad hier Dienst schieben. Man sei über die kleinsten Erfolge glücklich – unlängst etwa sei ein halbverhungerter, irgendwo ausgesetzter Hund aufgetaucht, den die Punks sofort bei sich aufgenommen hätten.

Ob die Klagen aus der Nachbarschaft gerechtfertigt sind, scheint Außenstehenden schwer zu beurteilen. Immerhin: Die Nachbarn aus den angrenzenden Eigentumswohnungen, deren Terrassen in den gleichen Innenhof schauen, hätten sich laut Sozialarbeiterinnen im Sommer "schon zu Recht aufgeregt", als ein Punk-Pärchen dort öffentlich und lautstark Liebe machte.

Nackte am Trafik-Video

Nicht ganz entspannt scheint auch das Verhältnis zum Trafikanten, der im gleichen Haus untergebracht ist, derzeit aber wegen Renovierung in einem Container davor haust, wie vorher die Sozialarbeiter. Bei ihm huschte eines Tages eine splitternackte Frau aus der Punk-Belegschaft durchs Geschäft – der Beweis, eine Video-Aufnahme, lief sogar bei Peter Resetarits im ORF. Obwohl die Trafik-Kamera angeblich "illegal" aufzeichnet, hat man seitens des FSW auf eine Anzeige verzichtet.

Die ehemalige Eisdiele im Erdgeschoß wurde zum Punker-Freizeitraum umgestaltet, mit Lümmelecke und Tischfußball – doch auch hier sichert eine versperrte Eisentür; die Lokalfenster zur Straße hin sind dicht verhangen.

Eine Unterschrift der Leistungsverträge, einer Art Mietvertrag zwischen Bewohnern und FSW, konnte den Punks bis heute nicht abgerungen werden. Die Kosten des Sozialprojektes liegen bisher bei rund 2,1 Millionen Euro.

Printausgabe vom Dienstag, 17. Februar 2009

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