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Wir spielen Gott

Von Stefanie Holzer

Unsere Katzen Lili und Maxi sind jetzt sieben Monate alt. Sie waren furchtbar klein, als sie zu uns kamen. Man hatte fast ein schlechtes Gewissen, sie so früh schon der Obhut ihrer Mutter zu entreißen. Mittlerweile aber sind sie ordentlich gewachsen, insbesondere Maxi ist das geworden, was man einen "Waschl" nennt. Doch er lässt Lili beim Fressen stets nobel den Vortritt.

Weil zwei Katzen sehr nett sind, ich aber nicht gern sieben oder fünfzehn Katzen hätte, werden die beiden nächste Woche kastriert – bzw. sterilisiert. Der Kater wird die Folgen des Eingriffs etwa einen Tag spüren, die Katze zwei Tage, sagt unsere Tierärztin. Bei Lili wird man ein Weilchen sehen, dass da was war, denn das Fell wird ihr auf einer Bauchseite geschoren. Beim Kater wird dagegen dauerhaft sichtbar etwas fehlen.

Meine Schwester M. hatte schon viele Katzen, die ihr alle irgendwann weggelaufen sind. M. hatte sich geweigert, ihre Katzen kastrieren zu lassen. Denn das erschien ihr unnatürlich. Da sie aber auch nicht zweimal im Jahr Katzenjunge haben möchte, lachte sie sich nur Kater an. Alle waren sie schön und lieb, doch keiner ist lange bei meiner Schwester geblieben. Irgendwann schickten die Hormone die Kater tage- und wochenlang auf Wanderschaft, sodass der Rückweg dann wohl zu weit erschien. Mein Neffe war jedes Mal untröstlich. M. war halbtraurig und halbfroh zugleich, wenn die Kater weg waren. Als Hausgenossen waren sie tatsächlich ein bisschen anstrengend: Sie markierten an unpassenden Stellen ihren Besitzanspruch, und der letzte Kater verrichtete gar im Keller seine Notdurft. Moritz ist der fünfte Kater im Haus meiner Schwester. Ihn möchte sie gern behalten, also wird sie ihn bald kastrieren lassen.

Meine Freundin H. lässt ihre ebenfalls demnächst geschlechtsreife Katze einmal Junge kriegen. H. möchte, dass das Tier diese Erfahrung macht, ehe es ebenfalls seiner Fortfplanzungsmöglichkeit beraubt wird. Meine Tierärztin sagt, es gebe keinen medizinischen Grund, eine Katze einmal Mutter werden zu lassen. Ob Maxi gern Vater würde, hat sich niemand überlegt. Angesichts seines duldsamen Charakters – er lässt sich ohne die geringste Gegenwehr von drei kleinen Kindern herumschleppen – sollte er Junge haben, vorausgesetzt, dass sich seine Sanftmut genetisch vererbt.

Noch ein zweites Mal im Leben der Katze übernimmt der Mensch die Regie: Kater Semmi ist 16 geworden. Er hat laut Tierarzt keine Schmerzen, ist nicht krank, bloß furchtbar alt. Er sieht nichts mehr, verliert seinen Harn tröpfchenweise und fällt manchmal beim Gehen hin. Meine Freundin S. bereitet sich seit Wochen seelisch darauf vor, irgendwann den Tierarzt zu rufen und Semmis Leben beenden zu lassen. Doch so lange es noch irgendwie geht, schiebt sie es auf, Gott zu spielen.

Stefanie Holzer, geb. 1961, lebt als Schriftstellerin in Innsbruck.

Printausgabe vom Samstag, 06. Dezember 2008

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