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Täuschung ausgeschlossen

Die Hypnose im Licht von Tomographen und Psycho-Tests
Von Peter Markl

Das Schauspiel - jetzt öffentlich nur mehr selten vorgeführt - ist faszinierend und unheimlich zugleich: Menschen, die sich wie in Trance bewegen, anscheinend absolut dem Willen eines Anderen unterworfen, der sie Paradiese fühlen oder zu Verbrechern machen könnte. Da wird das Verhalten von Menschen in einem Ausmaß und so zielgerichtet manipuliert, wie es durch genetische Manipulation nie möglich werden wird.

Das hat etwas Esoterisches an sich, schmeckt nach abgesprochenem Schwindel und steht, wenn es medizinisch angewendet wird, immer noch im Verdacht, Heilungen durch einen bombastisch inszenierten Placebo-Effekt erzielen zu wollen, nicht weit entfernt von schlichter Quacksalberei. Friedrich Anton Mesmer, der mit seiner "Magnetismus"-Show die Wiener so sehr faszinierte, dass er von Mozart im ersten Akt von "Cosi fan tutte" parodiert wurde, hat das Brimborium vielleicht etwas übertrieben - immerhin wurde er 1778 wegen Quacksalberei aus Österreich verbannt. Seinem Ruhm hat das nicht besonders geschadet: seine daraufhin in Paris eröffnete Praxis war nicht nur eine Goldquelle, sondern auch so sehr Ärgernis für die etablierte Wissenschaft, dass Ludwig XVI. 1784 eine Untersuchungskommission einsetzte, in der sich nicht nur Antoine Lavoisier, sondern auch der spätere amerikanische Präsident Benjamin Franklin wiederfanden.

Grenzen der Hypnose

Die Kommission kam zum Schluss, dass die behaupteten Heilerfolge nur in der Einbildung existierten, aber das hat Dr. Mesmers Aktivitäten nicht sehr beeinträchtigt. Erst als er vor der Französischen Revolution nach London floh, verdrängten andere Sorgen die Begeisterung für den "Magnetismus".

Doch alles das war vor mehr 200 Jahren. Damals waren die Möglichkeiten der Wissenschaft, das Geheimnis der Natur und Wirkung der Hypnose zu klären, ungleich geringer als heute, wo ein ganzes Arsenal von psychologischen Tests und alle die faszinierenden bildgebenden Verfahren der heutigen Neurophysiologie einen viel informativeren und direkteren Blick in das Hirn von Hypnotisierten erlauben.

Michael R. Nash von der Universität von Tennessee in Knoxville, Herausgeber des "International Journal of Clinical and Experimental Hypnosis", hat jetzt für das "Spektrum der Wissenschaft" eine Zwischenbilanz gezogen. Was sich dabei ergab, ist einigermaßen überraschend: auch wenn man heute natürlich sehr viel mehr weiß als vor 200 Jahren, ist die Hypnose nach wie vor von Mythen umrankt. Eigentlich weiß man nach wie vor wesentlich mehr darüber, was Hypnose nicht ist, als was diesen psychischen Zustand ausmacht.

So viel ist klar: Menschen unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Hypnotisierbarkeit stark. Es gibt Menschen, an denen selbst die routiniertesten Hypnotiseure scheitern. Wie sehr die restlichen hypnotisierbar sind, lässt sich seit dem Ende der Fünfzigerjahre mit dem Stanford-Hypnose-Empfänglichkeitstest von Andre M. Weizenhoffer und Ernest R. Hildegard auf einer Skala von 0 bis 12 messen.

Die meisten Menschen fallen darin, wie es bei einem brauchbar konstruierten Test ja auch sein sollte, auf den mittleren Bereich von 5 bis 7. Die Diskussionen, was mit dieser Batterie von Tests eigentlich gemessen wird, ähneln den Diskussionen um die Intelligenztests und auch sie scheinen etwas hinreichend Konstantes zu erfassen: nach 10, 15 und 25 Jahren fand Hildegard bei seinen Versuchspersonen etwa dieselben Hypnotisierbarkeitswerte. Einige Messserien liefern überdies Indizien dafür, dass etwas daran erblich sein könnte: die Resultate gleichgeschlechtlicher eineiiger Zwillinge waren einander jedenfalls ähnlicher als die von gleichgeschlechtlichen, zweieiigen Zwillingen.

Alte Mythen

Doch damit sind die Plausibilitäten auch schon erschöpft. Viele andere psychologische Tests scheinen nur zu zeigen, dass viele weit verbreitete Vorstellungen über Hypnose nicht besser sind als aus Vorurteilen geborene Mythen. Es ist für eine erfolgreiche Hypnose sicher unerlässlich, dass sich die Versuchsperson mit allen seinen Wahrnehmungsorganen intensiv auf den Hypnotiseur konzentriert - so sehr, dass zwischen beiden eine als emotional empfundene Wechselbeziehung aufgebaut wird. Eine negative Einstellung oder negative Erwartungen können die Hypnotisierbarkeit schon beeinträchtigen.

Vom Hypnotiseur aber scheint der Erfolg einer Hypnose erstaunlich wenig abzuhängen: es macht wenig oder gar nichts aus, ob ein Mann oder eine Frau jemanden zu hynotisieren versucht, und selbst Alter und Erfahrung haben, wenn überhaupt, nur einen kleinen Einfluss.

Noch verblüffender ist, dass die Psychotests auch zu zeigen scheinen, dass bei den Versuchspersonen ein breites Spektrum von charakterlichen Eigenschaften, von denen man plausiblerweise vermutet hätte, dass sie dabei mitspielen, zumindest den Tests nach, mit denen man diese Charaktereigenschaften zu erfassen versuchte, keinen Einfluss haben: Leichtgläubigkeit, Hysterie, Psychopathologie, Vertrauen, Aggressivität und soziale Anpassungsbereitschaft.

Hartgesottene Skeptiker können natürlich die Vermutung, dass das an den Tests liegen könnte, nicht unterdrücken.

Verfasser auflagenstarker, schauriger Mordgeschichten, in denen harmlose Bürger unter Hypnose die grässlichsten Verbrechen begehen, werden nur mit Unbehagen zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Hypnoseexperten genau das als einen Mythos sehen: Menschen unter Hypnose verhalten sich nicht wie passive Automaten. Sie sind aktive Problemlöser, deren Handlungen von ihren sozialen und kulturellen Vorstellungen durchdrungen sind.

Aktive Hypnotisierte

Hypnotisierte orientieren sich an ihren eigenen Wertvorstellungen, Sie können ohne weiteres "Nein sagen" oder die Hypnose beenden. Die Tests zeigen allerdings auch, dass einige der über Hypnose weit verbreiteten Ansichten mehr sind als vage Vorurteile: wer leicht zu hypnotisieren ist, hat offenbar eine überdurchschnittlich große Fähigkeit sich einzufühlen, etwa sich in ein Buch zu versenken, Musik intensiv zu erleben und sich auf vom Versuchsleiter formulierte Erwartungen sensibel einzustellen. Wenn es etwas gibt, was allen Hypnotisierten gemeinsam ist, dann ist es das: sie erleben das ihnen suggerierte Verhalten nicht als ihr aktives Verhalten, sondern als etwas, das ihnen mühelos "geschieht", losgelöst von ihrem Ich.

Liste mit Dementis

Was ihnen derart geschieht, ist allerdings nichts, das nicht auch außerhalb der Hypnose vorkäme: im Alltag vielleicht nur selten, oder - bei dramatischen Verhaltensformen - nur bei psychiatrischen und neurologischen Störungen. Im Labor lassen sich durch Hypnose auch vorübergehende psychische Effekte erzeugen - Halluzinationen, Gedächtnisverlust, Wahnvorstellungen.

Die Liste der Dementis ist allerdings noch länger: es stimmt schon, dass Entspannung in einer reizarmen Umgebung die Hypnose fördert, aber das geht darauf zurück, dass es unter solchen Bedingungen leichter ist, sich zu konzentrieren.

Versuche haben aber gezeigt, dass auch jemand hypnotisierbar ist, während er auf einem Trainingsfahrrad strampelt. Es ist schlicht und einfach falsch, dass unter Hypnose das Gedächtnis besser ist, im Gegenteil: Hypnose kann die Grenzen zwischen Erinnerung und Fantasie verwischen.

Man wird unter Hypnose nicht das Kind, das man einmal war, sondern verhält sich wie ein Erwachsener, der dieses Kind spielt. Hypnose ist kein Schlüssel zu den Schätzen der Kindheit.

Skeptiker haben immer wieder eingewandt, dass Hypnose nur ein Fall von leicht abrufbarer, besonders lebhafter Fantasie ist. Gerade das aber hat man jetzt mit den Mitteln der modernen bildgebenden Untersuchungsverfahren, die einen objektiven Blick ins Hirn ermöglichen, widerlegen können.

Henry Szechtman und seine Kollegen an der McMaster-Universität in Ontario haben mit Hilfe der Positronenemissions-Tomographie Aufnahmen von leicht hypnotisierbaren Personen gemacht, die mit verbundenen Augen in einem Tomographen lagen und eine Stimme vom Band hören konnten. Sie verglichen die neuronalen Aktivitätsmuster, die sich ergaben, wenn die Personen bei völliger Stille im Tomographen lagen, mit denen, welche durch das Hören einer Stimme vom Band hervorgerufen wurden.

Man bat die Versuchspersonen dann, sich vorzustellen, sie hörten die Stimme vom Band und verglich das dabei registrierte Aktivitätsmuster mit dem Muster der neuronalen Aktivität, das man bei einem Versuch registrierte, bei dem man den Versuchspersonen gesagt hatte, man würde nun noch einmal das Band laufen lassen, obwohl man es nicht einspielte: Die unter diesen Umständen registrierten Aktivitätsmuster konnten nur die neuronalen Korrelate der hypnotischen Korrelationen sein.

Sie unterschieden sich deutlich von den Mustern, welche mit der bloßen Vorstellung einhergegangen waren.

Schmerzlinderung

Es gibt nicht viele, die noch bezweifeln, dass man mit Hypnose Schmerzen lindern kann. Skeptiker vermuten jedoch, dass es sich dabei einfach um einen Placebo-Effekt handeln würde. Thomas H. Glashan von der Universität in

Philadelphia hat aber schon 1969 in sehr klaren Versuchen gezeigt, dass selbst schlecht hypnotisierte Personen Schmerzen nicht störender empfinden als Personen, denen man ein Zucker-Placebo als schmerzstillendes Mittel verabreicht hatte; Personen, die stark hypnotisierbar sind, konnte mit Hypnose etwa drei Mal so gut geholfen werden wie mit dem Placebo. Wiederum haben kanadische Versuche mit Positronenemissions-Tomographie, 1997 von Pierre Rainville in Montreal durchgeführt, Indizien dafür geliefert, welche Hirnregionen bei der Schmerzlinderung durch Hypnose eine Rolle spielen: es sind Hirnregionen, deren Aktivität mit dem Erleben von Schmerzen in Zusammenhang steht.

Die Regionen, in denen die vom Körper eintreffenden Schmerzsignale verarbeitet werden, sind von der Hypnose relativ wenig beeinflusst. Viele Wissenschaftler sehen darin ein Indiz dafür, dass Hypnose deshalb schmerzlindernd wirkt, weil sie die Entstehung des Schmerzgefühls durch die Signalverarbeitung in den höheren Gehirnregionen zu blockieren vermag.

Man hofft jetzt, dass ein besseres Verständnis dieser Blockade es einmal möglich machen wird, den Einsatzbereich und die Effektivität der Hypnose als schmerzstillende Technik besser abzustecken.

Literatur:

Michael R. Nash: Unter Hypnose. Spektrum der Wissenschaft, Dezember 2001.

Freitag, 07. Dezember 2001

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