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Professoren im goldenen Käfig

Wenn das Pensionssystem zum Mobilitätshindernis wird
Von Vera Bettenworth

Egal, ob in den Natur- oder Geisteswissenschaften, das universitäre Leben ist geprägt durch internationale Kontakte und Auslandsaufenthalte. Schon während der Studienzeit wird in Form von Auslandssemestern der Grundstein zu dieser Aufgeschlossenheit gelegt, die in der Promotions- oder "Postdoc"-Zeit vielfach noch durch Stipendien gefördert und ausgebaut wird. Je nach Disziplin ist eine längere an einer ausländischen Hochschule verbrachte Zeit sogar ein Muss für die Karriere.

Doch mit dem Alter und dem beruflichen Einfluss in der Heimat wächst auch die Scheu, den eigenen Arbeitsplatz dauerhaft ins Ausland zu verlegen. So wird vor allem die Mobilität deutscher Professoren heute mitunter durch so profane Dinge wie die Sorge um die bestmögliche Altersversorgung eingeschränkt. Denn der Wechsel in ausländische Renten- und Pensionssysteme ist häufig mit Nachteilen verbunden und lässt viele davor zurückschrecken, den Schritt über die Grenze zu tun.

So geschehen im Fall von Rainer Leisten. Der Wirtschaftswissenschaftler hatte seit 1999 einen Lehrstuhl an der Universität Duisburg inne. Trotzdem schien ihm die an der Universität Graz ausgeschriebene Stelle gar zu verlockend. "Der Fachbereich ist sehr gut ausgestattet, und das Angebot aus Graz war durchaus attraktiv", fasst Leisten zusammen. Gern wäre er deshalb dem Ruf der österreichischen Hochschule gefolgt. Doch der Wechsel in die Steiermark scheiterte an den damit verbundenen finanziellen Verlusten in der Altersvorsorge: Rund 200.000 Mark (1,400.000 Schilling) hätte Leisten in die österreichischen Pensionskassen nachzahlen müssen, um sich - zusammen mit der in Deutschland erarbeiteten Rente - die gleiche Altersversorgung zu

sichern, die ihm bei fortlaufen-

der Tätigkeit in Duisburg zugestanden hätte. "So viel Geld musste ich noch nie zahlen, um irgendwo arbeiten zu dürfen." Sprach's und lehnte ab.

Lutz Beinsen, Dekan der Grazer Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, hegt allerdings Zweifel an dieser Begründung. Früher habe man als Professor bei einem Wechsel von Deutschland nach Österreich einen "guten Deal" gemacht, soBeinsen. "Die Rentenansprüche in Deutschland blieben erhalten, und in Österreich konnte man auch trotz hohen Alters noch volle Pensionsansprüche erwerben", erklärt der Dekan. Durch diesen "Trick" und die inzwischen fast abgeschaffte Emeritierung hätten manche Pensionisten früher ein weit höheres Einkommen erhalten als zu ihrer Arbeitszeit. Doch vor einigen Jahren wurde dem ein Riegel vorgeschoben, und heute müssen sich die Einwanderer in die österreichischen Pensionskassen einkaufen, sofern sie ein gewisses Alter überschritten haben. Für Beinsen fehlt vielen Leuten dadurch der Anreiz, nach Österreich zu gehen.

Denn wegen höherer steuerlicher Belastung, eigenen Leistungen für die Altersvorsorge und allgemein höheren Lebenshaltungskosten müsse man in Österreich etwa 35 Prozent mehr verdienen, um den gleichen Lebensstandard zu haben wie ein deutscher Hochschulprofessor, sagt der Dekan. Und er muss es wissen, verlegte er doch selbst noch früh genug seinen Arbeitsplatz von Deutschland nach Österreich, um in den Genuss der Emeritierung - also der Pensionierung mit einem Ruhegehalt, das 100 Prozent der letzten Bezüge ausmacht - zu kommen.

Heute würden Verhandlungen mit österreichischen Universitäten oft als Druckmittel benutzt, denn wenn man einen Ruf ins Ausland ablehnt, könne man mit der eigenen Universität Bleibeverhandlungen führen, so Beinsen weiter. Und die können sich durchaus lohnen: Mehr Mitarbeiter oder eine bessere Ausstattung finanziert von der Hochschule oder dem Fachbereich, dazu eventuell noch zusätzliche persönliche Bezüge von Ministerium.

Für Rainer Leisten stellt sich der Sachverhalt allerdings anders dar. Schließlich hatte der Wirtschaftswissenschaftler zum Zeitpunkt seiner Verhandlungen mit der Universität Graz schon etwa zehn Jahre für seine Pensionsansprüche gearbeitet - seit 1988 hatte er sich in Heidelberg auf einer C1-Stelle habilitiert, 1995 dann den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre in Greifswald angetreten und 1999 an die Universität Duisburg gewechselt. Hinzu kam noch die Zeit als wissenschaftlicher Angestellter, die ebenfalls für die Altersversorgung angerechnet wurde. Wäre Leisten auf eigenen Wunsch schon vor dem Ruhestand aus dem deutschen Beamtendienst ausgeschieden, so wäre er nachträglich durch den Staat bei einer gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Solche Nachversicherungen sind aber mit deutlichen Verlusten für den ehemaligen Beamten verbunden, denn aufgrund der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze werden nur Beiträge von geringer Höhe - in Relation zum Nettoeinkommen der Beamten - geleistet.

Diesen Verlust im Rentenanspruch müssen deutsche Dozenten, sofern sie nicht nur eine Gastprofessur im Ausland annehmen, sondern sich auf Dauer dort einrichten möchten, meist aus der eigenen Tasche begleichen. Um im Alter Leistungen in ausreichender Höhe zu erhalten, müssen sie in die Rentenkasse des betreffenden Landes nachzahlen - und je älter der Professor, desto höher diese Nachzahlungen.

Je früher in der Karriere der Wechsel ins Ausland vollzogen wird, desto leichter fällt die Umstellung auf andere Vorsorgesysteme - wie in Großbritannien, wo Professoren staatlicher Universitäten keine Beamte sind und sich die gesetzliche Rentenversicherung auf einem relativ geringen Niveau bewegt. Trotzdem ist Michael Ehrmann, Professor für molekulare Zellbiologie an der Universität Cardiff, sehr zufrieden mit seiner Situation. Nach seiner Habilitation an der Universität Konstanz nahm er 1999 den Ruf der walisischen Hochschule an. Neben den Rentenansprüchen, die er noch in Deutschland hat, sorgt er für seinen Ruhestand auch privat vor: "Ich denke nicht, dass ich mit dem, was mir irgendein Staat zahlt, später weit komme." Die in Großbritannien übliche private Vorsorge in Form eines Pensionsfonds für Akademiker kommt ihm deshalb gerade recht. "Man bekommt das Leben nicht auf einem goldenen Tablett serviert", meint der Biologe. Und ist deshalb auch bereit, mitunter in die eigene Tasche zu greifen.

Auch der Wechsel in Länder, in denen Hochschullehrer wie in Deutschland Beamte sind, kann teuer werden. In der Schweiz, wo Professoren allerdings nur Beamte auf Wahldauer und nicht auf Lebenszeit sind, hat die Altersvorsorge drei Säulen, die alle auch eigene Leistungen verlangen. Die "Eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung" (AHV) garantiert jedem Arbeitnehmer einen gewissen Grundstock an finanzieller Versorgung im Alter - allerdings in unterschiedlicher Höhe, abhängig von Beitragsjahren und -höhe. Zusätzlich gibt es verschiedene Pensionskassen, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer monatliche Beiträge einzahlen. Hier kann der Arbeitnehmer auch einen anderen Betrag zahlen als der Arbeitgeber - aus steuerlichen Gründen meist einen höheren. Auch die Auszahlungen dieser Versicherungen richten sich nach der Höhe der geleisteten Zahlungen. Lebensversicherungen und ähnliche, auf privater Initiative beruhende Vorsorgen bilden die sogenannte dritte Säule.

Sollten Schweizer Hochschullehrer schon vor der Pensionierung aus dem Staatsdienst ausscheiden, erhalten sie eine einmalige "sogenannte Austrittsleistung" von ihrer Pensionskasse. Damit seien alle Forderungen erfüllt, erklärt Anne Freitag vom Dozentendienst der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Anders verhält es sich mit der staatlichen Rentenversicherung: Die Ansprüche auf eine monatliche Rente im Alter bleiben erhalten. Deutsche Versorgungsämter wiederum erkennen die Arbeitsjahre im Ausland in aller Regel problemlos an, sofern man an einer staatlichen Hochschule tätig war. Zeiten an privaten Universitäten oder in der Privatwirtschaft hingegen werden nicht vollständig gutgeschrieben. Durch einen Wechsel an eine ausländische Universität kann man also in mehreren Ländern Ansprüche auf Altersversorgung erwerben - zumindest theoretisch. Praktisch gilt jedoch bei einem Ruf an eine deutsche Universität: Der Dozent darf durch Rentenzahlungen aus verschiedenen Ländern nicht besser gestellt sein, als wenn er Zeit seines Lebens in Deutschland gearbeitet hätte. Diese Handhabung ist - je nach Herkunftsland - geregelt durch zwischenstaatliche Abkommen oder durch allgemeines EU-Recht. Die AHV-Ansprüche eines Schweizers werden beim Wechsel an eine deutsche Universität also verrechnet.

Doch großzügiger als in Deutschland ist die Altersversorgung kaum irgendwo geregelt. "Wenn man im Pensionssystem denkt, sind die Ruhegelder der deutschen Beamten sicherlich ein Mobilitätshindernis ersten Grades", meint deshalb Rainer Leisten. "Denn warum sollte ich dieses Privileg aufgeben?" Sein Fazit: Denkt man an die Altersversorgung, sitzen deutsche Professoren in einem goldenen Käfig.

Freitag, 07. September 2001

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