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Pollen erzählen Klimageschichte

Vegetationsveränderungen in Ungarn am Vorabend der Eiszeit

Von Georg Breuer

Vor drei Millionen Jahren, noch vor Beginn der Eiszeitperiode, war das Klima in Mitteleuropa ähnlich wie heute. Gegenüber früheren Zeiten hatte es abgekühlt, doch
noch konnten sich in tiefen Lagen subtropische Pflanzenarten halten, die heute nur mehr im Mittelmeerraum gedeihen. Wie sich die Vegetation damals unter dem Einfluß von Klimaschwankungen verändert
hat, ist nun von einem Forscherteam der Universität Cambridge anhand der in den Sedimenten eines Kratersees aus dem Bakonywald gefundenen Pollen untersucht worden.

Der Bakonywald ist eine Hügellandschaft nördlich des Plattensees, die vor etwa 3,8 Millionen Jahren durch vulkanische Aktivitäten entstanden ist. Dort gab es den Kratersee von Pula Maar, der
ursprünglich bis zu 40 m tief war. Geschichtete Ablagerungen beginnen mit einem Alter von 3 Millionen Jahren. Sie bestehen abwechselnd aus einer dunklen Tonschicht, die viele Algen enthält und im
Winter entstanden ist, und einer hellen im Sommer entstandenen Schicht, die vorwiegend aus Karbonaten besteht. Diese Schichtung im Halbjahresrhythmus läßt sich von unten nach oben bis zu einem Alter
von 2,67 Millionen Jahren verfolgen. Dann folgt eine Schicht von Löß, der die Sedimente bedeckt und bis heute vor Erosion geschützt hat.

In diesen Sedimenten ist eine große Zahl von Pollen abgelagert, etwa 50.000 pro Kubikzentimeter. Das Cambridger Forscherteam unter Leitung von K. J. Willis hat in regelmäßigen Abständen 110 Proben
aus einem Bohrkern aus diesen Sedimenten untersucht und festgestellt, von welchen Pflanzenarten die Pollen stammen. Der Zeitabstand zwischen den einzelnen Proben beträgt etwa 2.500 Jahre.

Der Bakonywald war damals von einem Mischwald bedeckt, dessen Zusammensetzung sich entsprechend den Klimaschwankungen ständig veränderte. In den kühleren Perioden dominierten vor allem Föhren und
Fichten, daneben auch Tannen, Lärchen, Birken und Erlen. Insgesamt erreichten die Pollen dieser Baumarten in kühlen Perioden einen Anteil von bis zu 60 Prozent der gesamten Pollenmenge. In den
wärmeren Perioden ging ihr Anteil auf 20 bis 30 Prozent zurück, während der von einigen Laubbäumen, vor allem Eichen, daneben auch Ulmen, Buchen und Haselnußsträuchern, auf über 20 Prozent anstieg.
In kleinen Mengen findet man auch Pollen von subtropischen Arten wie Zypressen, Schirmtannen, Pinien und anderen. Der Rest der Pollen stammt vorwiegend von Gräsern.

Nur in zwei kurzen Perioden vor etwa 2,9 Millionen Jahren und dann nochmals vor 2,78 Millionen Jahren waren die Eichen und die anderen Laubbäume der gemäßigten Zone häufiger als die nördlichen
Nadelbäume. Mit dem Beginn der Eiszeit vor 2,72 Millionen Jahren verschwinden die subtropischen Arten aus Mitteleuropa und sind später nie wieder zurückgekehrt. Die Eichen und die anderen Laubbäume
der gemäßigten Zone werden selten. Mehr als 80 Prozent der Pollen entfallen nun auf Föhren, Fichten und andere Bäume, die in kälterem Klima gedeihen.

Zyklische Schwankungen

In den periodischen Veränderungen der Artenzusammensetzung der Vegetation vor Beginn der Eiszeit sind die sogenannten Milankowitsch-Zyklen deutlich erkennbar. Das sind periodische
Klimaschwankungen, die laut einer in den dreißiger Jahren veröffentlichten und lange umstrittenen Theorie des serbischen Forschers Milan Milankowitsch durch Veränderungen der Sonneneinstrahlung
verursacht werden. Diese sind Folgen von periodischen Veränderungen der Neigung der Erdachse und der Umlaufbahn der Erde um die Sonne.

Die Neigung der Erdachse verändert sich in einem Zyklus von 41.000 Jahren. Je stärker sie gegen die Ekliptik, also die Ebene, in der sich die Planeten um die Sonne bewegen, geneigt ist, desto stärker
ausgeprägt sind die Jahreszeiten. Bei schwacher Achsenneigung sind die Winter mild und niederschlagsreich und die Sommer kühl. Der im Winter gefallene Schnee schmilzt dann im Sommer nur langsam oder
gar nicht, die Gletscher werden größer. Die Richtung der Erdachsenneigung verändert sich in einem Zyklus von 19.000 bis 23.000 Jahren. Das hat Einfluß darauf, zu welcher Jahreszeit die Erde auf ihrer
elliptischen Bahn der Sonne am nächsten ist und daher am meisten Strahlung empfängt. Die Anziehungskraft der großen Planeten, vor allem des Jupiter, verursacht schließlich kleine Veränderungen der
Umlaufbahn der Erde um die Sonne und damit ebenfalls Veränderungen der Stärke der Sonneneinstrahlung zu verschiedenen Jahreszeiten in einer Periode von etwa 100.000 Jahren.

Je nachdem, wie diese drei Perioden zusammenfallen, können sich ihre Wirkungen für einen bestimmten Breitengrad gegenseitig verstärken oder auch abschwächen. So entsteht ein für verschiedene Teile
der Erde unterschiedliches Muster von stärkerer oder schwächerer Sonneneinstrahlung. Berechnungen zeigen, daß diese Schwankungen keineswegs vernachlässigbar klein sind, sondern beträchtliche
Auswirkungen auf das Klima vor allem in mittleren und höheren Breiten haben können.

Tatsächlich hat man schon in den siebziger Jahren bei Untersuchungen von Bohrkernen aus dem Meeresgrund periodische Schwankungen in den Ablagerungen gefunden, die mit den Milankowitsch-Zyklen gut
übereinstimmen. Die Forschungen des Cambridger Teams bestätigen nun neuerlich, daß auch das Klima über den Kontinenten und die Veränderungen der Vegetation von diesen Zyklen stark beeinflußt werden.

Literatur: „Nature" Vol. 397, S. 685 (1999).

Freitag, 07. Mai 1999

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