Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Portal zum österreichischen EU-Vorsitz 2006 Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon   Glossen    Bücher    Musik 

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Abkühlung durch Treibhauseffekt?

Weitere CO2-Vermehrung könnte den warmen Golfstrom

schwächer werden lassen
Von Georg Breuer

Regionale Klimaänderungen können sehr plötzlich eintreten. Das ist eine der großen Sorgen, mit denen sich die Wissenschafter am Rande der Klimakonferenz in Buenos Aires beschäftigt haben. So
haben Untersuchungen von Eisbohrkernen aus Grönland ergeben, daß die Durchschnittstemperaturen dort vor 14.600 Jahren im Verlauf von weniger als zehn Jahren um mehr als 5 Grad Celsius angestiegen
sind. Stehen uns heute ähnliche Klimasprünge bevor? Starke Veränderungen des CO²-Gehalts der Atmosphäre hat es in der Geschichte unseres Planeten schon öfter gegeben · aber noch nie in einem
derart raschen Tempo wie jetzt. Das vermehrt die Sorge vor einem plötzlichen Umkippen des Klimas ganzer Regionen. Trotz vieler schöner Sonntagsreden geht die

CO²-Vermehrung unvermindert weiter.

Im vergangenen Jahr war sie sogar besonders stark, obwohl der Energieverbrauch in der ehemaligen Sowjetunion und anderen postkommunistischen Ländern heute wegen der tristen Wirtschaftslage deutlich
niedriger ist als vor zehn Jahren. Manche Folgen der weltweiten Erwärmung sind bereits deutlich sichtbar. In den Alpen hat die Größe der Gletscher in den letzten zwei Jahrhunderten stark abgenommen.
In Grönland und Island ist die Entwicklung vorläufig noch anders.

Die Temperaturen sind dort meist noch immer unter null Grad, wenn auch nicht mehr so weit wie früher. Es gibt noch kein großes Abschmelzen von Gletschern, ja sogar ein Wachstum, weil es infolge der
Erwärmung mehr Wasserverdunstung und daher mehr Niederschläge gibt. Bei weiterer Erwärmung wird jedoch bald der Punkt des Umkippens erreicht werden. Die Gletscher werden zu schmelzen beginnen, und
das könnte Rückwirkungen auf große Teile Europas haben.

Die „Pumpen" des Golfstroms

Zurzeit sind auf unserem Kontinent die Jahresdurchschnittstemperaturen um etwa 5ø C höher als auf gleichen Breiten in Nordamerika. Das verdanken wir dem Golfstrom, der warmes Wasser aus den Tropen
in den Nordostatlantik bringt und hier die Atmosphäre erwärmt. In den Tropen verdunstet mehr Ozeanwasser, als durch Flüsse und Niederschläge zugeführt wird. Das Wasser des Golfstroms ist daher
salzreich und relativ schwer. Auf dem Weg nach Norden kühlt es allmählich ab und wird damit noch schwerer, so daß es schließlich in zwei relativ kleinen Regionen nordöstlich von Island und
südwestlich von Grönland in die Tiefe sinkt und dort wieder nach Süden bis zur Antarktis strömt. Nach Ansicht der Meeresforscher sind diese beiden Absinkregionen die wichtigsten „Pumpen", die den
Kreislauf des Golfstroms in Bewegung halten. Modellrechnungen von Stefan Rahmstorf vom Institut für Klimaforschung in Potsdam haben ergeben, daß dieser Kreislauf im Atlantik empfindlich gestört
werden könnte, wenn es im kommenden Jahrhundert zu einem starken Abschmelzen der Gletscher von Grönland und Island kommt und viel salzfreies leichtes Süßwasser in die umgebenden Meere gelangt. Die
„Pumpen" würden nur mehr schlecht oder gar nicht funktionieren, der Golfstrom würde schwächer werden, das schwere salzreiche Tropenwasser würde nicht mehr so weit nach Norden strömen, sondern schon
früher in die Tiefe sinken. Die Luft über dem Nordostatlantik würde nicht mehr aufgewärmt, nach einigen Jahrzehnten starker Erwärmung würde es in Europa, vor allem im Nordwesten, zu einer starken,
vielleicht sehr plötzlichen Abkühlung kommen.

Man sollte aber nicht voreilig annehmen, daß dann wieder „alles beim alten" wäre. Niemand kann heute voraussehen, wie sich dann die für das Wetter so wichtigen Zirkulationsmuster in der Atmosphäre
gestalten würden oder wie sich die Veränderungen auf die Niederschlagsmengen und die Verteilung der Niederschläge im Jahresablauf auswirken würden. Daß es unter wesentlich anderen weltweiten
Bedingungen ähnlich wie heute sein würde, ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich.

Klima und Vegetation

Sprunghafte Veränderungen könnten auch in den Rückkopplungsmechanismen zwischen Vegetation und Atmosphäre eintreten. Nach Studien eines Forscherteams des britischen Meteorologischen Dienstes im
Hadley Centre in Bracknell haben die weltweite Erwärmung und die CO²-Vermehrung in der Atmosphäre dazu geführt, daß die Bäume, vor allem in mittleren und höheren Breiten, mehr CO²
aus der Atmosphäre aufnehmen und rascher wachsen als früher. Das ist eine negative Rückkopplung, der Treibhauseffekt wird dadurch gebremst.

Die Erwärmung und die damit verbundene Verschiebung von Klimazonen geht jedoch nach erdgeschichtlichen Maßstäben sehr rasch vor sich. Die Verbreitungsgebiete der verschiedenen Arten von Bäumen und
anderen Pflanzen müßten sich dementsprechend rasch verschieben, aber es ist zu befürchten, daß vor allem die Bäume mit diesem Tempo nicht Schritt halten können. Das könnte im kommenden Jahrhundert zu
neuen Formen von „Waldsterben" führen. Besonders groß ist das Risiko, daß die tropischen Wälder durch die weitere Erwärmung stark geschädigt werden. Wenn viele Bäume zugrunde gehen, wird von den
Wäldern insgesamt weniger CO² aufgenommen. Der Rückkopplungseffekt wird dann positiv · und der Treibhauseffekt weiter verstärkt.

Literatur: New Scientist, 14. November 1998, S. 15.

Freitag, 08. Jänner 1999

Aktuell

Kampf um Religionsfreiheit
Religionsfreiheit und Religionskonflikte sind im heutigen Europa brisante Themen
Kopftücher und falsche Nasen
Zwischen rigider Männermoral und westlichem Modernismus: Die Lage der Frauen im Iran
Endspiel mit Samuel Beckett
Zum 100. Geburtstag eines einflussreichen Pioniers der zeitgenössischen Kunst

1 2 3

Lexikon


W

Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum