Samstag, 31. Jänner 2009 | Schriftgröße: AAA

» Registrieren / Anmelden

Der Streit um das Brust-Screening

Mammografie: Kdolsky wollte es, Stöger ist skeptisch: Eine Einladung für alle Frauen von 50 bis 69 zur Vorsorge.

Frau bei einer Mammographie. Durchleuchtung der Brust: Wird Brustkrebs diagnostiziert, verspricht die Behandlung in einem speziellen Zentrum die größten Erfolge. DruckenSendenLeserbrief
Ein persönliches Einladungsschreiben zur Mammografie mit Terminvorschlag: Das erhielten ein Jahr lang alle Frauen zwischen 50 und 69 in den Wiener Bezirken 15, 16 und 17. "In diesen drei Bezirken stieg die Rate der Mammografien um 22,3 Prozent, in den anderen Bezirken lediglich um 3,7 Prozent", so Projektleiterin Univ.-Prof. Beate Wimmer-Puchinger.
Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky hatte eine flächendeckende Einführung eines solchen Screening-Programms mit hohen Qualitätsstandards (jedes Brustbild muss von zwei Radiologen unabhängig begutachtet werden) für 2010 angestrebt. Ihr Nachfolger Alois Stöger ist hingegen zurückhaltend. Er begrüßt zwar das Wiener Pilotprojekt, weil "hier ganz bewusst Zielgruppen angesprochen werden, die sonst schwer zu erreichen sind" – also etwa türkische Frauen. Skeptisch steht er allerdings "undifferenzierten Massen-Screenings" gegenüber: Hier seien noch zu viele Fragen über den Nutzen offen.

Weniger Todesfälle  

Diese Haltung kritisiert die Krebshilfe: "Österreich ist bei der Krebs-Früherkennung unter den europäischen Schlusslichtern. Europaweite Erfahrungen haben gezeigt, dass seit Einführung des organisierten Screenings die Früherkennungs- und v.a. die Heilungsraten von Brust-, aber auch Gebärmutterhals- und Dickdarmkrebs deutlich gesteigert wurden."
"In Österreich gehen derzeit zwischen 40 und 50 Prozent der Frauen im Zwei-Jahres-Abstand zur Mammografie", sagt der Radiologe Univ.-Prof. Thomas Helbich von der MedUni Wien.

"Wenn wir diese Rate auf 75 Prozent erhöhen, sinkt in der Altersgruppe der 50- bis 69-jährigen Frauen die Brustkrebssterblichkeit um zirka 35 Prozent." Derzeit sterben in dieser Altersgruppe jährlich ca. 570 Frauen an Brustkrebs.
"Der Nutzen der Screening-Programme wird überschätzt. Qualitativ gute Studien zeigen nur einen minimalen bis keinen Nutzen", sagt hingegen Prof. Heiner Bucher vom Universitätsspital Basel. "Und auch eine 25 prozentige Sterblichkeitsreduktion heißt in absoluten Zahlen: Im Laufe von 14 Jahren werden nach einer Schätzung nur zwei von tausend Frauen gerettet." Ein großes Problem sei, dass bis zu 20 Prozent der Erstbefunde "falsch positiv" seien – also auffällige Befunde, die einer weiteren Abklärung bedürfen und sich dann letztlich als harmlos herausstellen: "Viele Frauen werden dadurch sehr verängstigt, es kommt zu unnötigen Folgeuntersuchungen und Gewebeentnahmen."


Der deutsche Gynäkologe und Screening-Experte Hans Junkermann weist die Darstellung von Bucher zurück: "In Deutschland können durch das Screening jährlich 2400 Brustkrebstodesfälle verhindert werden. Gerade in den Screening-Projekten versuchen wir durch gute Aufklärung den Frauen die Ängste zu nehmen."
"Die 20 Prozent Fehldiagnosen sind viel zu hoch gegriffen", sagt Helbich: "Und eine Gewebeentnahme ist eine sehr schonende Methode – vergleichbar mit einer Kariesbehandlung beim Zahnarzt."



Artikel vom 28.01.2009 18:30 | KURIER | E. Mauritz, I. Teufl

Gesundheit



Werbung