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Die Krankheitsverkäufer
Gesundheitsmarkt
31.05.2008, 17:18
Dann informierte die Firma über die "unterschätzte Krankheit, die Amerika nachts wachhält". 2005 ließ die US-Zulassungsbehörde FDA das Mittel zu, "seither wurden Millionen ausgegeben, um das Syndrom in das Bewusstsein von Ärzten wie Konsumenten zu bringen", so Woloshin.
Die Medien helfen bei der Vermarktung von Leid. In Zeitungsartikeln, die Woloshin und Schwartz untersuchten, wurde fast immer die Häufigkeit der angeblichen Erkrankung übertrieben und zu mehr Diagnose und Therapie geraten. In der Fachliteratur ist hingegen schnell zu erkennen, dass höchstens zwei und nicht zehn Prozent der Bevölkerung, wie immer wieder behauptet, an unruhigen Beinen leiden.
Doch auch von den zwei Prozent sind längst nicht alle behandlungsbedürftig. Wenn Ropinirol erwähnt wurde, kamen oft Patienten zu Wort, die dem Mittel Wunderkraft attestierten. Der fragwürdige Nutzen und Nebenwirkungen der Arznei - 38 Prozent der Patienten leiden unter Übelkeit - wurden hingegen kaum aufgegriffen.
Italienische Epidemiologen um Marina Maggini haben am Beispiel der Demenz-Forschung gezeigt, wie "Arzneien auf der Suche nach einer Krankheit" entwickelt werden. Donepezil und andere Mittel zur Behandlung von schwerem Alzheimer wurden bei anderen Formen der Demenz eingesetzt, auch wenn Beweise für die Wirksamkeit fehlten.
Um einen Effekt messen zu können, wurden 23 klinische Bewertungen und Tests ausprobiert, die zumeist nicht für die entsprechende Erkrankung anerkannt waren. Die Medikamente wurden immer häufiger verwendet, auch wenn Übersichtsstudien ergaben, dass sie bei der Mehrheit der Patienten nicht ansprachen.
Für die New Yorker Psychiaterin Leonore Tiefer ist die Pathologisierung weiblicher Lust "ein Lehrbuchbeispiel" dafür, wie Krankheiten erfunden werden. Schon bevor Viagra 1998 zugelassen wurde, suchte die Industrie nach pharmakologischen Stimuli für die Frau.
1997 fand in Cape Cod eine pharmagesponsorte Konferenz zum Thema statt: "Bewertung der weiblichen Sexualfunktion in klinischen Studien". Seitdem haben Urologen viel dafür getan, mangelnde Lust als "Female Sexual Dysfunction" (FSD) zu popularisieren.
In Boston eröffnete die Women’s Sexual Health Clinic, seit 2004 gibt es das Journal of Sexual Medicine, das Beilagen der Industrie zur FSD veröffentlicht. Willige Mediziner liefern passende Daten, wonach angeblich mehr als 40 Prozent der Frauen unter FSD leiden. Pfizer, der weltgrößte Pharmakonzern, versuchte jahrelang - letztlich vergeblich - den Markt für Viagra zu erweitern und damit die "female sexual arousal disorder" zu behandeln.
Für John Bancroft, früher Direktor des Kinsey-Instituts, sind diese Kampagnen ein "klassisches Beispiel dafür, wie weibliche Sexualität mit vorgefassten, männlichen Diagnosekriterien erfasst werden soll".
Auch die bipolare Störung, wie manisch-depressive Leiden genannt werden, wird häufiger. Die Erkrankung, die zu den schlimmsten Leiden zählt, wird in psychiatrischen Klassifikationen seit 1980 geführt. Durch Erweiterungen der Krankheitskriterien erhöhte sich die Zahl der Betroffenen von 0,1 auf fünf Prozent, wie David Healy von der Universität Cardiff nachgewiesen hat.
Zudem entdeckten die Firmen einen neuen Markt: Manisch-depressive Leiden sollten nicht nur behandelt werden - Psychopharmaka der neuen Generation wie Olanzapin, Risperidon und Quetiapin wurden fortan auch vorbeugend angepriesen. Zugleich wurden Fachzeitschriften wie <Bipolar Disorders und Journal of Bipolar Disorders gegründet.
Parallel entstanden Fachgesellschaften mit Hilfe der Industrie. Diese Tätigkeit zeigt sich auch in der wachsenden Zahl der Fachartikel zum Stichwort "Mood Stabilizer" (Stimmungsaufheller): Während zu Beginn der 90er-Jahre weniger als zehn Beiträge jährlich zu dem Thema zu finden waren, sind es seit 2001 jedes Jahr mehr als 100.
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03.06.2008 15:36:00 Zaubberer: Anderer Blickpunkt Im Marketing eines Unternehmens würde man von "Pull"-Marketing sprechen. Die Pharma-Industrie versucht Ihre ohne Zweifel hohen Entwicklungskosten ohne den herkömmlichen Weg wie über fundierte jahrelange klinische Studien Ihre Produkte abzusetzen. Der beste Fall wäre die "Kunden" kennen das Unternehmen, das Produkt und lassen sich durch die gute Medienwerbung ein Leiden einreden das evtl. gar nicht wirklich existiert.. um so schnell zu Absatz und Umsatz zu kommen.. Jeder kennt mal so Tage wo es einem schlechter oder besser geht. Mal hat man Kreuzweh (weil man wieder falsch gehoben hat..) oder man hat nen Muskelkater (weil es war wieder Tour de France und wurde vom Radhype angesteckt..) etc. Ich würde einfach zu vernüftigerem Umgang mit dem eigenen Körper und dem Medikamentenwesen umgehen. Man muß net immer Pillchen für alles mampfen.. Ein guter Tee, ne Badewanne voll Wasser, evtl. auch mal Franzbranntwein für die Muskeln.. hat schon mehreren geholfen als Krankengymnastik und Dauer- massagen..
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