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17.04.2008    16:35 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Medizinische Missverständnisse

Gefährliches Ärzte-Latein

Hyper- oder Hypoglykämie? Mediziner sollten sich um eine verständlichere Sprache bemühen. Denn falsch verstandene Fachbegriffe bringen Patienten in Gefahr.
Von Werner Bartens

Gefährliches Ärzte-Latein
vergrößern Ärzte sollten die Sprache der Patienten benutzen.
Foto: Robert Haas
 

Früher haben die Ärzte Latein und Griechisch gesprochen, heute sprechen sie Fachchinesisch oder Englisch. Wichtiger wäre es allerdings, dass sie die Sprache der Patienten benutzen. Begriffe zu wählen, die auch von den Kranken verstanden werden, ist nicht nur für eine gelungene Kommunikation wichtig. Es kann auch lebensrettend sein.

Melinda Lyons von der Universität Cambridge beschreibt im Fachmagazin Lancet vom heutigen Freitag, wie medizinische Fachterminologie Patienten in Gefahr bringen kann (Bd.371, S.1321, 2008).

Im Luftverkehr habe man sich längst um Termini bemüht, die kaum verwechselt werden können. So seien statt der ähnlich klingenden Buchstaben S und F die Begriffe Sierra und Foxtrott eingeführt worden. "Das medizinische Ausbildungssystem leidet darunter, immer mehr in kürzerer Zeit ausdrücken zu wollen", sagt Lyons. "Der medizinische Jargon wird aber nicht vereinfacht."

Besonders gefährlich seien ähnlich klingende Präfixe. Hyper- und Hypoglykämie würden sich fast gleich anhören, aber das Gegenteil - Über- und Unterzuckerung - bedeuten. Das gleiche gilt für Hyper- und Hypotonie, hohen und niedrigen Blutdruck. Auch Wortbildungen mit inter (dazwischen) oder intra (innerhalb), ante (davor) oder anti (dagegen), super (oberhalb) oder sub (unterhalb) sind in der Medizin häufig.


"Gerade in hektischer, lauter Umgebung können die Begriffe von Ärzten wie Patienten falsch verstanden werden und zu folgenschweren Behandlungsfehlern führen", sagt Lyons. Ein weiteres Risiko seien gleiche Abkürzungen in unterschiedlichen Disziplinen - TOF steht für den Herzfehler Tetralogie of Fallot wie für die Tracheo-Oesophageale Fistel, eine Verbindung von Luft- und Speiseröhre.

Gefährliche Verwechslungen

Das Institute for Safe Medication Practices nahe Philadelphia hat eine engbedruckte achtseitige Liste mit Medikamentennamen zusammengestellt, die leicht zu verwechseln sind. Die Dunkelziffer ist jedoch vermutlich weitaus höher. "Das sind nur die Namen der Mittel, deren Verwechslung bereits zu Behandlungsfehlern geführt hat", schreiben die Mediziner.

Eine andere Liste mit Abkürzungen und Dosierungen, die häufig Verwirrung stiften, ist zwei Seiten lang. Sie sollten "niemals" in der medizinischen Kommunikation benutzt werden, warnen die Mediziner. "Denn diese Begriffe wurden oft verwechselt und haben nachweislich zu schweren Fehlern geführt."

Das Kürzel IU steht auch im deutschen Medizingebrauch als Maß hinter vielen Arzneimitteln und bedeutet "International Unit". Immer wieder wurde es in handschriftlichen Verordnungen als "IV" (intravenös) oder gar als die Zahl 10 fehlgedeutet. "IN" (intranasal) wurde als "IM" (intramuskulär) gelesen oder verstanden und das Präparat von Pflegenden oder Ärzten falsch verabreicht. In der Wendung "per os" (über den Mund) wurde das "os" gelegentlich nicht als Mund, sondern linkes Auge (oculus sinister) falsch interpretiert.

Die Abkürzung "OD" steht für "once daily" - einmal täglich -, wurde aber schon als rechtes Auge (oculus dexter) missverstanden.

Anstatt die Gefahren zu sehen, sind einige Ärzte stolz darauf, mit ihrer Terminologie eine Art Geheimsprache zu beherrschen, die von vielen Patienten nicht verstanden wird. "Bei intravenös bin ich extranervös", ist ein harmloses Wortspiel. Manchmal werden aber auch größte Gemeinheiten in Fachbegriffen verklausuliert. "Äthylismus" und "C-2-Abusus" stehen für Alkoholmissbrauch.

"C.p." ist vom Lateinischen caput piger abgeleitet und bedeutet fauler Kopf, Drückeberger. "O.S." ist die Abkürzung für Oralsau - soll heißen, dass es der Patient mit der Mundhygiene nicht so genau nimmt.

Wenn Ärzte "externes Pigment" erwähnen, bei dem eine "Balneotherapie" angeraten sei, heißt das schlicht, der Patient ist dreckig und sollte mal wieder baden.


(SZ vom 18.04.2008/mcs)

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Kommentare


18.04.2008 15:47:34

hwas:

So ein Artikel wie dieser, so armselig er ist, war zu erwarten, wenn man von den 'Bildungsdefiziten' der Gegenwart ausgeht.

Preafixe wie die aufgefuehrten, 'hypo' und 'hyper', 'sub' , 'intra' usw. kommen aus der griechischen und lateinischen Sprache. Sie haben ueber Jahrhunderte hinweg funktioniert. Diese Preafixe werden nicht nur in der Medizin sondern auch in anderen Disziplinen wie etwa der Chemie benuetzt. Die Benutzung z.B. dieser Praefixe haengt mit unsaerer abendlaendischen Kulturgeschichte zusammen. Diese Paefixe wurden gewiss nicht ausgedacht um den modernen Menschen des 21. Jahrhunderts zu veraergern oder gar zu verunsichern.

Jedoch sollte der Mensch des 21. Jahrhunderts doch so weit sein, dass er nach einer Erklaerung fragt, wenn er etwa eine ihm gestellte Diagnose nicht versteht.


1 Besucher hat diesen Kommentar bewertet



18.04.2008 15:10:22

tyrconnell: Die ach so präzise Fachsprache...

Ein ppar Gedanken zu den Einwürfen meiner "Vorredner":

1) Fachsprache ist nicht "unmissverständlich". Viele Fachbegriffe haben in verschiedenen (Fach-)Bereichen eine unterschiedliche Bedeutung.

2) Fachsprache neigt zum Wildwuchs. Neue Begriffe für Altbekanntes sollen Fortschritt vortäuschen, und jedes Jahr sind neue "Buzzwords" in, die bald jeder benützt, von deren Bedeutung aber jeder eine unterschiedliche Vorstellung hat.

3) Sich gegenüber dem Patienten verständlich auszudrücken, ist nicht nur eine Frage des Respekts gegenüber meinem Mitmenschen, sondern auch notwendig für den Behandlungserfolg (Ausnahme ist vielleicht der Hypochonder...).

4) Eine einfache und zugleich präzise Ausdrucksweise ist eine Kunst - nicht das wüste Aneinanderreihen möglichst komplizierter Fachbegriffe. Natürlich gehört, gerade im Kollegenkreis, dazu auch die sinnvolle Verwendung von "Fachchinesisch". Dazu gehört aber auch eine gewisse Selbstkritikfähigkeit, um a) Auswüchse zu vermeiden, und b) zu erkennen, ob man seinen Inhalt vermitteln konnte.

5) Wenn nachweislich die Verwendung von Abkürzungen, mehrdeutigen Fachbegriffen oder nahezu gleichklingender Wörter zu Fehlbehandlungen führt (so der Inhalt des Artikels), so ist es angemessen, über Häufigkeit, Risiko und, falls erforderlich, Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren. Dies sollte (@HarryT) auch für einem Arzt verständlich sein...


2 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



18.04.2008 12:18:28

HarryT:

Es ist erschreckend, mit welch' inhaltsleeren Artikel man es als Autor auf die Seite von Süddeutsche-online schafft! Selbst bei mehrmaligem Lesen erschließt sich mir nicht, was mir der Autor sagen will.

P.S.: ich BIN Arzt.


4 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



18.04.2008 12:12:38

Baltersweiler: Vielleicht ...

erleidet ja auch mal ein Patient vor Schreck einen Herzschlag, wenn er hört, dass sein Befund "negativ" ist.

Fachsprachen (ob es nun die medizinische, die juristische oder das Computer-Denglish ist) haben sich nicht deshalb entwickelt, um die dummen Laien auszuschließen, sondern weil sie das geeignete Austauschmedium für nicht-alltägliche Sachverhalte sind. Es ist unsinnig, hier nach "Vereinfachung" zu rufen. Aber nachdem ja heute jeder überall nachschlagen kann, was die Relativitätstheorie beinhaltet, meint man das mit dem Anspruch verbinden zu müssen, alles so erklärt zu bekommen, dass jeder alles versteht.

Missverständnisse und Hörfehler gibt es immer mal. Man kann sie nicht durch Basteln an der Sprache, sondern nur durch eine Verbesserung der Kommunikation beheben. Nachdem die Ärzte ja nicht mehr die Götter in Weiß sind, kann der mündige Patient doch einfach seinen Doc fragen, was es denn mit seinem negativen Appendizitis-Befund nun auf sich habe.


4 Besucher haben diesen Kommentar bewertet



18.04.2008 12:05:53

chocochip: Ein Oralschwein hat übrigens ein höheres Risiko für Herzmuskelentzündungen...

da Entzündungen im Mund/Rachenraum sich auch auf andere Organe auswirken können.

Ist also auch für die Erhebung der Patientendaten wichtig.


4 Besucher haben diesen Kommentar bewertet


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