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04.03.2008    17:23 Uhr Drucken  |  Versenden  |  Kontakt
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Neu im Kino: "Im Tal von Elah"

Desaster zum Dessert

Paul Haggis könnte ein Kriegsspektakel entfachen und mit Charlize Theron und Tommy Lee Jones als einigen der besten Schauspielern Hollywood punkten. Doch er erzählt lieber eine verzwickte Detektivgeschichte - und liefert damit die bislang überzeugendste filmische Darstellung des Irak-Krieges.
Von Martina Knoben

Wenn ein Mann wie Hank Deerfield (Tommy Lee Jones) eine Gutenachtgeschichte erzählt, kann man sich auf etwas gefasst machen. Deerfield ist Vietnamveteran und früherer Militärpolizist, einer, dem das Soldatische so in den Knochen steckt, dass er noch im Motel die Laken mit militärisch korrektem Kniff richtet.

Seinen Hosen verpasst er eine Bügelfalte, indem er sie scharf über die Bettkante zieht. Die Haltung, die aus diesen Gesten spricht, kennzeichnet auch den Film, der wie seine Hauptfigur kein Wort und keine Bewegung verschwendet.


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Bildstrecke Charlize Theron - das Chamäleon Rahmen
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Die Geschichte, die Deerfield dem kleinen David erzählt, um ihm die Angst vor dem Dunkeln zu nehmen, ist die von David und Goliath, die nur deshalb harmlos wirkt, weil sie so vertraut scheint. Das Kind stellt jedoch die richtigen Fragen: Warum schickt der König einen Jungen gegen den Riesen in den Kampf? Hat David keine Angst gehabt?

Von einem verlorenen Sohn erzählt "Im Tal von Elah" - als der Film beginnt, ist Mike (Jonathan Tucker), Deerfields Jüngster, schon tot. Aus dem Irak ist der Soldat noch zurückgekehrt, gleich darauf jedoch von seinem Stützpunkt verschwunden. In der Wüste tauchen verkohlte Reste seines Leichnams auf. Weil die Polizei nicht richtig ermittelt und den Toten vorschnell zum Drogendealer abstempeln will, stellt Deerfield seine eigenen Untersuchungen an.

Amerika hat nicht viele Schauspieler, die einen wie ihn verkörpern könnten. Früher hätte diesen Mann vielleicht John Wayne gespielt, nur dass der niemals hip war, so wie der Man in Black Tommy Lee Jones. Clint Eastwood war für die Rolle im Gespräch, mit dem Paul Haggis schon mehrfach zusammengearbeitet hat, für den er die Drehbücher zu "Million Dollar Baby" und "Flags of Our Fathers" geschrieben hat. Eastwood hätte die Rolle des Patrioten und Vaters wohl ausgefüllt - aber hätte er dabei auch ausgesehen wie ein Durchschnittsamerikaner?

Haltung bewahren

Jones verleiht seiner Figur Charisma und Autorität, tritt als Star jedoch weit genug zurück, um Deerfield wie einen alten Mann aussehen zu lassen, der seiner Zeit nicht mehr gewachsen ist. Dass er dennoch Haltung bewahrt, obwohl die Welt um ihn herum in Stücke bricht, macht seine Geschichte so bewegend.

Es ist die scheinbare Bescheidenheit, nicht nur seines Hauptdarstellers, die diesen Film ganz groß sein lässt, der ebenso reduzierte wie raffinierte Einsatz der Mittel. Haggis könnte ein Kriegsspektakel entfachen und mit einigen der besten Schauspieler Hollywoods prunken, konzentriert sich jedoch auf eine verzwickt anmutende Detektivgeschichte, Deerfields Privatermittlungen zum Tod seines Sohnes, bei denen ihn nur die Polizistin Emily Sanders (Charlize Theron) unterstützt.

Haggis verfolgt dabei eine ähnliche Erzählstrategie wie in seinem Oscar-prämierten "L.A. Crash", in dem er ebenfalls ein Bild nach und nach zusammensetzte, wobei aber melodramatische Töne anklangen, die er hier vermeidet. Eine zentrale Rolle bei der Rekonstruktion des Verbrechens spielen Videoaufnahmen, die Deerfield dem Fotohandy seines Sohnes entnimmt, dessen Daten durch Hitze zum größten Teil zerstört sind. Ein Techniker stellt sie mühsam wieder her, Deerfield erhält sie portionsweise per E-Mail.

Was die Bilder- und Geräuschfetzen bedeuten, begreift jedoch auch der Zuschauer lange Zeit nicht: der Blick aus einem fahrenden Lastwagen, dann ein dumpfer Ton, ein Schrei, die Anweisung weiterzufahren; oder das Bild eines verwundeten Irakers, dazu Mikes Gesicht, in die Kamera lachend. Der Film im Film über den Irak-Krieg bleibt ein Fragment - und ist in seiner verstörend surrealen Qualität gerade deshalb die bislang überzeugendste filmische Darstellung dieses Krieges.

Enttäuschte Vaterlandsliebe

Elah heißt in der Bibel das Tal, wo David und Goliath miteinander kämpften - "Elah" ist jedoch auch ein Name Gottes. Der merkwürdige anmutende Filmtitel verweist auf die biblische Wucht der Geschichte. Hank, das ist Hiob, der nicht nur beide Söhne im Krieg verliert - der älteste kam bei einem Hubschrauberunglück ums Leben - sondern auch erkennen muss, welche Schuld er daran trägt. Der alte Mann erscheint als Verkörperung des patriotischen Amerika - seiner Paranoia, seiner Erschütterungen -, das schließlich die eigenen Söhne, die im Irak kämpfen, nicht mehr kennt.

Es gibt einen linken amerikanischen Patriotismus, für den Europäer, Deutsche zumal, wenig Verständnis haben. Auch deshalb lösen Filme wie Robert Redfords "Von Löwen und Lämmern" hierzulande solche Befremdung aus. Dass auch "Im Tal von Elah" patriotisch sein soll, ist nicht gleich einzusehen. Schließlich endet der Film mit einem für Amerikaner nahezu gotteslästerlichen Bild: dem Star-Spangled Banner, kopfüber an einem Flaggenmast - ein Notsignal, wie der Soldat Deerfield zuvor erklärt hatte.

Das Pathos, das aus einem solchen Bild spricht, lässt sich jedoch nur mit enttäuschter Vaterlandsliebe erklären. Und die Bilder, die Haggis und sein Kameramann Roger Deakins von Amerika entwerfen - von der Wüste New Mexicos, Fastfood-Lokalen oder Strip-Schuppen - erinnern nicht von ungefähr an Western-Topographien. Im Western wurde einmal die Grenze der Zivilisation definiert. Heute, suggeriert dieser Film, muss die Grenze im Innern des Landes neu verteidigt werden.

IN THE VALLEY OF ELAH, USA 2007 - Regie, Buch: Paul Haggis. Kamera: Roger Deakins. Schnitt: Jo Francis. Musik: Mark Isham. Mit: Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Susan Sarandon, James Franco, Jonathan Tucker, Jason Patric. Concorde, 124 Minuten.


(SZ vom 5.3.2008/rus)

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