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Zeitarbeit und Mitbestimmung

Zeitarbeit im Vordringen

Arbeitnehmerüberlassung ist ein zukunftsträchtiger Markt. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes für 2006 betrug die Anzahl der in Zeitarbeit Beschäftigen 588.000 Personen. Seit Ende der 1990er Jahre hat sich die Zahl der Zeitarbeitnehmer in Deutschland damit mehr als verdoppelt. Allein von 2005 auf 2006 ist ihre Zahl um ein knappes Drittel gestiegen. 31 Prozent davon waren befristet beschäftigt. Zeitarbeit ist vor allem in saisonabhängigen Branchen wie Gastronomie, Tourismus und Hotellerie weit verbreitet und entfällt zu mehr als einem Drittel auf Hilfspersonal.






Unabhängig von dieser offiziellen Statistik kann von einer weitaus höheren Zahl von Leiharbeitnehmern ausgegangen werden, wenn die in der Statistik nicht erfasste nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ), die Konzernleihe, die tarifvertraglich vorgesehen ANÜ und vor allem die illegale ANÜ berücksichtigt wird (dazu Ulber, AÜG Einleitung E, Rdn. 4 f.).
Der Gesetzgeber hat der Zunahme von Leiharbeit mit einer fortschreitenden Deregulierung den Weg gebahnt. Ob damit das Ziel von Beschäftigungssicherung erreicht wurde, kann allerdings bezweifelt werden (vgl. Ulber, a.a.O. Einleitung C Rdn. 2 ff.).

Man muss "zwei Herren dienen"

Gesetzliche Grundlage für die Regelung von Zeitarbeit ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).
Es knüpft an die juristische Dreiecksstruktur an, die sich aus dem Wesen der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) ergibt.





 


Faktisch dient der Arbeitnehmer also "zwei Herren", nämlich dem Entleiher und dem Verleiher. Rechtlich müssen diese Verhältnisse aber klar unterschieden werden. Der Arbeitsvertrag besteht zwischen Arbeitnehmer und Verleiher. Das Direktionsrecht (Weisungsrecht) hat der Verleiher auf den Entleiher übertragen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen der Vorgaben seines Arbeitgebers - des Verleihers - verpflichtet, die Anweisungen des Entleihers zu beachten. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, vor allem den auf Bezahlung, muss und kann der (Leih-) Arbeitnehmer aber ausschließlich gegen den Verleiher geltend machen.


Gleiche Bezahlung und Arbeitsbedingungen

Parallel zum Aufheben von Schutzvorschriften für die Arbeitnehmer - die ursprünglich geltenden Befristungsverbote und das Begrenzen der Überlassungsdauer wurden abgeschafft - führte der Gesetzgeber ab 2004 den Gleichbehandlungsgrundsatz ("equal pay" und "equal treatment" - §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und  9 Nr. 2  AÜG) ein (siehe dazu bereits Newsletter 20/07). Leiharbeitnehmer dürfen danach nicht anders behandelt werden als die Stammbelegschaft. Dies kann weder durch den Arbeitsvertrag noch durch eine Betriebsvereinbarung geändert werden, wohl aber durch einen Tarifvertrag (§ 9 Nr. 2 AÜG). In der Praxis liegt der Lohn der Zeitarbeiter nach einer Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung freilich häufig deutlich - im Schnitt um 29 Prozent - unter dem der "normalen" Beschäftigen.

Aufspaltung der Mitbestimmung

Die Doppelrolle des Arbeitnehmers spiegelt sich auch im Mitbestimmungsrecht wieder. Die (Leih-) Arbeitnehmer gehören zum Betrieb des Verleihers und in den seltenen Fällen, in denen sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sind sie auch nur dort für die Wahl des Betriebsrats wahlberechtigt, nicht aber beim Entleiher (§ 14 Abs. 2 S.1 AÜG). 
Es ist vom Gesetzgeber nicht klar geregelt, welcher Betriebsrat für welche Angelegenheit zuständig ist.
Grundsätzlich entscheidet sich dies laut BAG danach, wer die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft: Der Entleiher, oder der Verleiher.

Deutlich wurde dies jüngst am Beispiel von Einstellung und Vergütung: Nach § 14 Abs. 3 AÜG ist der Betriebsrat vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zu informieren, und zwar der Betriebsrat des Entleihers. Das BAG sah das Mitbestimmungsrecht allerdings - trotz der Verweisung des § 14 Abs. 3 AÜG auf § 99 BetrVG - auf die Einstellung beschränkt. Da der Entleiher nur über die Einstellung entscheide, die Eingruppierung aber Sache des Verleihers sei, müsse der Betriebsrat diesbezüglich auch nicht gehört werden (BAG, Beschl. v. 17.06.2008 – 1 ABR 39/07, BAG-Online Rdn. 18 ff.).

Eine ähnlich feine Differenzierung ergibt sich hinsichtlich der Mitbestimmung bei der Einstellung selbst. Ein zwischen Entleiher und Verleiher abgeschlossener Überlassungsvertrag berechtigt den Betriebsrat beim Entleiher (noch) nicht zur Mitbestimmung. Erst der tatsächliche Einsatz im Entleiherbetrieb löst die Beteiligungsrechte nach §§ 14 Abs. 3 AÜG, 99 Abs. 1 BetrVG aus, wobei allerdings jede noch so kurze tatsächliche Beschäftigung mitbestimmungspflichtig ist (BAG, Beschl. v. 23.01.2008 – 1 ABR 74/06, BAG-Online Rdn. 21 ff.). Übernahme im Sinne des § 14  Abs. 3 AÜG ist also die Eingliederung und entspricht damit der Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG (BAG, a.a.O., Rdn. 22).

Beispielhaft stellen sich die Zuständigkeiten der Betriebsräte so dar:

  • Mitbestimmung des Betriebsrats beim Entleiher
    - Einsatz von Leiharbeitnehmern im Entleihbetrieb
    - Einsicht in Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
  • Mitbestimmung des Betriebsrats beim Verleiher
    - Abbau von Leiharbeitnehmern (§§ 111 f. BetrVG)
    - Eingruppierung der Leiharbeitnehmer
    - Anordnung von Überstunden
    - Kündigungen
Neueste Entwicklungen: Kurzarbeitergeld für Leiharbeiter


Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat in Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung von Zeitarbeit vor kurzem zu einer Änderung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) geführt. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die "nicht vorhersehbare krisenhafte Entwicklung im Finanzsektor" wird eine nachhaltige Beeinträchtigung der industriellen Produktion und damit der Nachfrage nach Leiharbeitnehmern für möglich gehalten.

Die Durchführungsanweisung der BA vom 05.11.2008 (SP III 32 – 71169 / 71170) erlaubt deshalb das Gewähren von Kurzarbeitergeld bereits dann, wenn der Verleihbetrieb "glaubhaft machen" kann, dass alternative Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen. Ein konkreter Nachweis, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Umsatzschwankung handelt, ist in diesen Fällen nicht (mehr) erforderlich. Ob sich diese Vorgaben nachhaltig auf die Ermessensentscheidungen der BA in der Gewährungspraxis auswirken, bleibt allerdings abzuwarten.

Fazit

In einer Befragung der Hans-Böckler Stiftung zur Leiharbeit kam ein Betriebsrat der Stammarbeitnehmer zu Wort, der die Situation aus seiner Sicht so darstellte: "Seitdem wir regelmäßig mit den Leiharbeitnehmern sprechen, uns deren Sorgen anhören und sie über die Dinge aufklären, haben wir viel weniger Reibungen und Konflikte im Betrieb; es läuft wieder besser rund."
Auf Seiten der Betriebsräte im Entleihbetrieb, darauf deutet die Studie hin, wirkt sich eine wachsende Sensibilität für die Leiharbeitsbelange positiv für alle Beteiligten aus. Die Leiharbeitnehmer selbst können ihre Situation dadurch am besten beeinflussen, wenn sie - auch bei häufigem Arbeitsplatzwechsel - den ihnen rechtlich zustehenden Kontakt zum Betriebsrat beim Entleihbetrieb suchen und aktiv an der Betriebsratsarbeit im Verleihbetrieb mitwirken. Die rechtlichen Spielräume sind vorhanden, sie müssen nur genutzt werden.

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Autor: Redaktion arbeitsrecht.de


(pk) 04.12.2008 © www.arbeitsrecht.de


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